31 August 2006

Noch'n Gedicht

Tote Zicken reden nicht

Am Dienstag wars zur Kaffeezeit
als ich sie traf;
ihr Arsch war breit
vom vielen Sitzen,
doch ihre Augen blitzten.
Sie hatte viel zu sagen, zu befehlen,
trat an, mir meine Zeit zu stehlen.

Ich saß ihr gegenüber,
betrachtete sie stumm.
Sie war mir sehr zuwider
und ihre Attitüde fand ich dumm.
Sie redete, sie faselte,
sie laberte und schwafelte.


Ich hörte zu, sie nervte mich,
und ich erlegte sie mit einem Messerstich.

Mittelmaß und wie der/die Deutsche damit umgeht.

Einleitend möchte ich betonen, dass eventuell auftretende Ähnlichkeiten mit lebenden Personen durchaus beabsichtigt sind. Da sich aber niemand für Mittelmaß hält (entweder sind die Betroffenen schlicht zu blöd, um sich überhaupt in irgendeine Kategorie außer "Talk-" oder "Gerichtsshow" einzuordnen, oder sie sind so sehr von sich überzeugt, dass sie in der Überzeugung durchs Leben gehen, sie wären großartig), brauche ich mir keine Sorgen darüber zu machen, dass mich einer oder eine der Beschriebenen verklagt.

Da ist also diese Person, einigermaßen effektiv im Tagesgeschäft, freundlich im Umgang mit den Kunden (wenn ich auch häufig eine gewisse McDonaldisierung festgestgellt habe und in Sorge bin, dass sie irgendwann ein Gespräch mit "Und darf es noch ein Getränk dazu sein?" beendet), leider aber nicht mit der für ihre Tätigkeit erforderlichen Kreativität und Mentalität ausgestattet. Angestellt eben. Diese Person stellt fest, dass eine andere wesentlich weniger arbeitet, dabei aber erstens effektiver, zweitens kreativer und drittens unabhängiger ist. Irgendwo tief in sich mag sie den Wunsch verspüren, über ähnliche Errungenschaften zu verfügen, vielleicht mehr Mut zu haben, sich besser durchsetzen zu können, mehr Respekt entgegengebracht zu bekommen.

Und jetzt kommen wir zur typisch deutschen Verhaltensweise, die ich der Einfachheit halber in der ersten Person Singular zu beschreiben versuche (für Gerichtsshowfans: Ich-Form): Ich, Durchschnittsdeutsche, stelle fest, dass jemand anderes erfolgreicher, schöner, reicher, beliebter, schlanker, glücklicher ist. Fügen Sie gern eigene Wunscheigenschaften hinzu. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Ich nehme all das zur Kenntnis, beschließe, dass es mir zu anstrengend ist, mich zu ändern, ich eigentlich recht zufrieden mit mir und meinem Leben bin und lasse die andere Person einfach weiterleben. Oder ich frage mich, was genau diese Person tut, um so zu sein, wie sie ist, und was ich tun müsste, um ähnliche Ziele zu erreichen, erhebe dann meinen verlängerten Rücken von der bequemen Sitzgelegenheit und hoffe, dass mein Kopf hinterherkommt. Aber ich bin eine typische Durchschnittsdeutsche. Es nagt und frisst an mir, die Person wird mir immer unsympathischer, töten darf ich sie nicht, weil das in Deutschland noch immer verboten ist, also greife ich zum einzigen mich befriedigenden Mittel: Ich versuche mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, diesem ekelhaften Subjekt das Wasser abzugraben. Es ist eine Unverschämtheit, dass sich diese Person erdreistet, sich über den Durchschnitt zu erheben, auf dem sitzend und den bebrütend mein Hintern überhaupt erst den heutigen Umfang erreichen konnte! Hat irgendjemand sie darum gebeten, mehr zu tun als notwendig? Wollte irgendjemand neue Ideen und Verbesserungsvorschläge? Es geht doch auch so, ging es bis heute und wird es auch weiterhin! Und für den Fall, dass dem nicht so sein könnte, habe ich doch eine Arbeitslosen- und eine Rentenversicherung!
Auf einmal bin ich in der Lage, Energie und Kreativität zu entwickeln, den eingeschlagenen Weg "Dieses Miststück mache ich fertig!" weiter zu verfolgen, mich nicht mehr ablenken zu lassen und keinen Gedanken an einen möglichen Feierabend zu verschwenden.

Politikerkarrieren sind so entstanden, mittelmäßige SchauspielerInnen haben so ihre Konkurrenz ausgeschaltet, Firmenbosse ihre Mitbewerber, und Beamte waren nur so in der Lage, jeden zaghaften Verbesserungsversuch sofort im Keim zu ersticken. Das Prinzip scheint entweder Murphys Law ("In jedem Unternehmen befindet sich mindestens eine Person, die weiß, worum es geht. Diese Person muss entlassen werden.") oder dem Peter-Prinzip ("Jeder wird solange befördert, bis er auf seiner persönlichen Stufe der Inkompetenz angekommen ist.") zu folgen.

Einerseits macht mir das Hoffnung, denn es bedeutet, dass, wenn Deutschland funktioniert, obwohl sich an den Schaltstellen (und damit meine ich nicht nur die Hebel, sondern auch die kleineren Knöpfe) Mittelmaß und unterer Durchschnitt gegenseitig die Lichter ausschalten, ein ungeheures Potential in unserem geliebten Land und seinen noch geliebteren BürgerInnen steckt, wenn man all diese Kreativitätsräuber an einen Ort verfrachtet, wo sie keinen Fortschritt mehr verhindern können und diejenigen schalten läßt, die sich nicht mit einem schlichten "Hell" oder "Dunkel" abgeben, andererseits habe ich Angst. Die Mittelmäßigen sind in der Überzahl, und viele der Überdurchschnittlichen befinden sich mittlerweile in Ländern, die bereit sind, eine Menge Geld für Leistungsträger auszugeben, statt ihnen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Wo ich mich einsortiere? Nun, ich hoffe, noch ein Stückchen von meiner persönlichen Stufe der Inkompetenz entfernt zu sein und bin dankbar für jede Gelegenheit, in der mir das Mittelmaß zeigt, wo ich stehe. Arroganz? Möglich.

Reimversuche, die 1.

Die verschwundene Leiche

Der Schäferhund, der Schäferhund,
der tut laut seinen Unmut kund.
Und auch Max, der Sittich,
macht sich kreischend wichtig.


Den Grund für diese Schreierei
kennt vorerst nur die Polizei.
Denn die fand gestern in der Früh
das Herrchen tot, und irgendwie
kam ihnen Herrchens Leiche
abhanden auf der Streife.

Nun fragt sie jeden Bürger:
„Wer war der Würger?

Vor allem aber – wo isser, der Kadaver?“