11 Dezember 2011

Prekäre Weihnachtsbeleuchtung

Zum ersten Mal seit langer Zeit bin ich heute Abend durch das Dorf gestreunt. Eigentlich wollte ich Vollmond gucken und Chinakohlpfanne verdauen. Aber in der Vorweihnachtszeit kann der Blick überhaupt nicht anders als an den unterschiedlichsten Dekorationen hängen zu bleiben.

Ich habe ein paar unterschiedliche Theorien entwickelt. Die letzte sprang mir zusammen mit einem quietschlila blinkenden Busch förmlich ins Auge: Haben die in den letzten Jahren immer häufiger werdenden Blink-, Wander- oder sonstwie grellen Lichter möglicherweise etwas mit der ebenfalls immer größer werdenden Hektik zu tun, die so viele Menschen spätestens mit dem Auftauchen der ersten Schokoweihnachtsmänner im Supermarkt (also etwa ab Ende August) befällt? Dieses Geblinke hat ja nichts Besinnliches oder auch nur Freundliches, ganz im Gegenteil, es tut in den Augen weh und macht zumindest mich auch ein Stück weit aggressiv. Der Impuls, das lila blinkende Ding mitsamt den Wurzeln herauszureißen war jedenfalls vorhanden.
Meiner bescheidenen Meinung nach passt diese Beleuchtung ganz wunderbar zu den Inhabern der leeren Augen und genervten Gesichter, die volle Tüten aus den Läden nach Hause tragen und dort von demselben Geblinke begrüßt werden wie sie es in den Geschäften noch störend empfanden.

Die andere Theorie hatte ich früher schon. In meiner Geburtsstadt zumindest fiel es auf, dass ausgerechnet in den Gegenden, in denen erfahrungsgemäß das heute so genannte bildungsferne Prekariat beheimatet war, besonders wilde Dekorationen das Straßenbild beherrschten. Da waren Vorgärten und Balkons taghell erleuchtet, es gab Rentiere, an der Hauswand kletternde Weihnachtsmänner und "Merry-Chrismas-Blinkleuchten" in den Fenstern. Schon damals habe ich mich gefragt, ob die Inhaber der Weihnachtsbeleuchtung einen Ratenzahlungsvertrag mit ihren Stromlieferanten haben, zumal sie sich meist auch lange nach den Festtagen nicht von ihren Lichtspielen trennen mochten. Da lagen die Weihnachtsbäume schon seit Wochen verrottend auf der Straße, weil der Sammelplatz zu weit weg war, aber im Garten blinkte es munter weiter.

Die bildungsferne Großfamilie auf der anderen Seite des Zauns jedoch straft meine Theorie gerade Lügen - die haben überhaupt kein Licht an. Wahrscheinlich wurde das gesamte Jahresbudget während des Sommers in Würstchen und Bier investiert, da muss man dekotechnisch eben Abstriche machen.

Ich habe mich jedenfalls über den dezent und in freundlichem Licht leuchtenden Stern an meinem Küchenfenster gefreut und gleich meine dritte Adventskerze angezündet. Glücklicherweise blinkt in meinem Blickfeld nichts.

Einen schönen dritten Advent wünsche ich Ihnen!

Und falls Sie weitere Theorien über den Zusammenhang zwischen Weihnachtsbeleuchtung, IQ, Bankkonto und Schichtzugehörigkeit haben, lassen Sie mich doch bitte daran teilhaben.

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