31 Oktober 2008

Traumfrau im Schlafanzug oder Es geht nichts über ein unbeschwertes Single-Leben

Lehnen Sie sich für einen Moment zurück, entspannen Sie sich und stellen Sie sich, während sie bequem sitzen oder liegen, ihren ruhigen, tiefen Atem genießen und sich sehr, sehr wohl fühlen, vor, wie ihre Traumfrau aussieht.

Liegt sie neben Ihnen im Bett, ermattet nach wildem und erfüllendem Sex, nackt, wie die Natur sie schuf, in dekorativer Rückenlage, ein Bein angewinkelt, der Träger des BHs, den Sie ihr in rasender Leidenschaft zerfetzt haben, noch immer über ihrer Schulter?
Und liegt sie morgens in Ihrem Arm, ein glückseliges Lächeln auf ihrem Gesicht, während sie sanft ein- und ausatmet? Hat sie vielleicht einen Arm um Ihren Hals und den anderen um ihre genau richtig gerundeten Hüften gelegt?
Kocht sie Kaffee, obwohl sie sich in Ihrer Wohnung eigentlich nicht auskennt?
Können Sie Falten in Ihrem glatten, jugendfrischen, gerade aufgewachten Gesicht erkennen? Nein? Pickel auch nicht?
Und wissen Sie ganz genau, dass sie Sie am Abend im Stretchmini empfangen wird, um dann mit Ihnen eine der angesagten Lokalitäten im Ort zu besuchen, auf dass Sie mit ihr angeben können?

Sehen Sie, genau das unterscheidet die frisch Gepaarten von einem Single: Ich weiß nicht, was Sie sich vorgestellt haben, als Sie diese Zeilen lasen. Meine Realität sieht so aus:

Ich
bin um 22.00 Uhr aus dem letzten Bus, der im Nachbarort hält, herausgestolpert und habe im Halbdunkel der kaum noch beleuchteten Straßen meine lästig klirrenden vier Flaschen Feierabendbier nach Hause getragen. Dort angekommen, flog alles, was ich nicht unter den Oberbegriff "saubequem und nicht einengend") gehört, auf die Couch in meinem Schlafzimmer und wurde gegen meinen Schlafanzug (real, Herrenabteilung, Größe M, im Sonderangebot knappe 10 €), getauscht, was ich mit einem wohligen Seufzer quittierte. Dann bin ich in die Küche gelatscht, habe meine Einkäufe ausgepackt, mir ein paar Scheiben Knäckebrot mit vegetarischem Brotaufstrich gemacht, mit denen ich mich an den PC gesetzt und die Nachrichten gelesen habe. Zum Nachtisch gab es noch einmal zwei Scheiben mit Quark und Honig. Wolbrechtshausen. 10°. Die Frisur hält längst nicht mehr.
Das erste Bier gab es unmittelbar nach dem letzten Knäckebrot.
Äußerst lästig heute abend waren die grauslichen Blähungen, die mich seit meinem Fertigkartoffelbrei, den ich mir gestern genehmigt habe, heimsuchen. Bin seit Stunden auf der Flucht vor mir selber.

Hatte ich erwähnt, dass ich Selbstgespräche führe, sobald ich allein bin? Die Unterhaltung mit mir empfinde ich als sehr anregend; ich lasse mich ausreden, mache mir weder Vorschriften noch Vorwürfe, sondern tadele mich höchstens einmal sanft: "Na komm, Guapa, reiss Dich zusammen!"

Irgendwann im Laufe dieses Abends werden mein billiger Männerpyjama und ich den Weg ins Schlafzimmer antreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich schnarchen werde, geht gegen 100%. Außerdem schlafe ich bei Licht und stelle den Wecker auf 5.30 Uhr, um dann bis 7.00 Uhr zu snoozen. (Wer regelmäßig mitliest, weiß das schon.) Morgens latsche ich dann in die Küche, setze Kaffeewasser auf und latsche wieder zurück ins Bett. Den Blick in den Spiegel meide ich, bis ich die Person gewaschen habe, die da in meiner Wohnung ihr Unwesen treibt. Ist aber auch egal, außer mir ist niemand hier, und so kann es durchaus vorkommen, dass mein Schlafanzug den gesamten Vormittag mit mir teilt.

Das ist nicht Ihre Vorstellung von einer Traumfrau? Dafür haben Sie all mein Verständnis! Meine Vorstellung von einem Traummann sieht auch ein anderes Szenario vor als: ... (Füllen Sie die Punkte gern selbst mit Inhalt, geschätzte Herren, denn ich möchte hier niemandem zu nahe treten!) Nur soviel: Kratzen Sie sich am Hintern, wenn niemand hinsieht? Bohren Sie an der Ampel in der Nase? Haben Sie exakt eine repräsentable Unterhose? Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Bettwäsche gewechselt? Wissen Sie noch, wo genau unter Ihrem Bett das gebrauchte Kondom liegt? Schlafen Sie tief, ruhig und dekorativ, so, dass eine potentielle Mitschläferin den Adonis in Ihnen erkennen kann, ohne eine Lupe zu benötigen? Halten Sie Selbstgespräche? Haben Sie ab und zu deftig riechende Blähungen, die sich durch ein knallendes Geräusch achtern ankündigen, und quittieren Sie diese mit einem lauten Rülpser?

In diesem Fall lasse ich für heute Strapse, Push-Up, String und Netzstrümpfe in der Schublade und behalte meinen alten Schlafanzug an. Und latsche morgen früh in meine Küche. Allein. Gute Nacht!

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