20 Oktober 2008

Zutiefst beleidigt!

Hamburg - Im Videospiel "Little Big Planet" kann der Spieler sich die Spielwelt so basteln, wie er sie gerne hätte (...) Kleine Männchen aus Jute hüpfen und rennen durch eine leicht psychedelisch anmutende Welt, zusammengezimmert und -geklebt aus Pappe, Holz, Glas, Kork, Gummi. (...) Das Sony-Management hätte momentan vermutlich selbst gern ein paar ähnliche Eingriffsmöglichkeiten für die wirkliche Welt - denn das als Jahres-Blockbuster fest eingeplante "Little Big Planet" kommt vorerst nicht auf den Markt. Wegen eines Religionsproblems.
In einem Level des Spiels kommt das Stück "Tapha Niang" des westafrikanischen Musikers Toumani Diabaté vor. Und dieses Stück, ein verschachteltes, orchestrales Werk (hier zu hören auf Diabatés MySpace-Seite), enthält neben Text in einem senegalesischen Dialekt auch zwei Zeilen auf Arabisch - und die entstammen dem Koran. Bislang hat das offenbar niemanden gestört. Nachdem "Little Big Planet" (LBP) in den USA aber vergangene Woche auf den Markt kam, bemerkte jemand das gesungene Koranzitat. In einem Forum wies ein eigenen Angaben zufolge muslimischer Spieler darauf hin.

"Zutiefst beleidigend"

"Wir Muslime empfinden die Vermischung von Musik mit Worten aus dem Heiligen Koran als zutiefst beleidigend", schrieb er ins Forum, "wir hoffen, dass sie das Stück sofort durch einen Online-Patch aus dem Spiel entfernen werden und sicherstellen, dass künftige Lieferungen des Spiels es nicht mehr enthalten."

Genau das tut Sony jetzt - und noch mehr. In Europa kommt das Spiel nicht wie geplant ab Donnerstag in den Handel, das Startdatum wird verschoben. Bislang ist noch unklar, wie lange. In den USA werden noch nicht verkaufte Exemplare offenbar zurückgerufen.


Hervorhebungen und Auslassungen von mir. Der Originaltext kann hier nachgelesen werden:

http://www.spiegel.de/netzwelt/spielzeug/0,1518,585234,00.html


Verehrte LeserInnen, ich bin auch zutiefst beleidigt! Wegen zwei Zeilen, die einen versprengten Gläubigen irgendwo im tiefsten Amerika stören, nein, Entschuldigung, zutiefst beleidigen, wird ein komplettes Spiel vom Markt genommen, um unter nicht unerheblichem Kostenaufwand islamkompatibel gemacht zu werden!


Ich werde sofort, nachdem ich mir hier Luft verschafft habe, Briefe an den Beate-Uhse-Verlag und weitere einschlägige Anbieter von Pornographie schreiben. Mich beleidigt nämlich der Anblick von nackten Brüsten mit Körbchengröße D + x, und das muss ich mir nicht bieten lassen! Meine Begründung? Ich bin gläubige Anhängerin eines sehr alten Körperkults und genieße damit Minderheitenschutz. Der Anblick dieser Brüste verursacht mir Magenprobleme und Durchfall, ganz von der seelischen Grausamkeit abgesehen, mit der mein ästhetisches Empfinden von diesen Bildern tagtäglich mit Füßen getreten wird.

Sie sagen, dass ich mir das ja nicht anschauen muss? Da haben Sie recht! Und ich
erlaube mir die Frage, ob man ein Spiel spielen muss, dass die eigene Religion beleidigt? Oder könnte man es einfach wegwerfen, nachdem man herausgefunden hat, dass es böse ist, und die Klappe halten? Das könnte man, braucht man aber nicht, weil sogar ein Weltmarktführer in vorauseilendem Gehorsam (oder Angst vor brennenden Sony-Konsolen?) sofort auch auf die albernsten Einwürfe reagiert, wenn sie denn von der richtigen Seite kommen.

Ich werde auch eine Beschwerde an Sony richten. In dem Spiel kommen nämlich nur "Männchen" vor, wenn man dem Spiegel-Artikel Glauben schenken darf. Das ist zutiefst diskriminierend für jeden Mann und entspricht ausserdem nicht der Quotenregelung. Meine Herren Programmierer, wenn Sie denn schon ein neues Lied im Level 27b einprogrammieren oder die beiden Koranzeilen herausnehmen, könnten Sie doch in einem Aufwasch aus den Männchen richtige Männer machen und ihnen gleichberechtigte Partnerinnen an die Seite stellen. Dass Sie aber nicht auf die Idee kommen, die Spielfiguren kirchlich heiraten zu lassen - irgendwo auf dieser Welt gibt es bestimmt eine Sekte, die sich dadurch beleidigt fühlt!

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