06 Januar 2009

Weiß

Der Himmel ist unglaublich klar, am Nachmittag war er quietschblau. Aus dem Zug konnte ich ein Reh sehen, das vor irgendetwas weglief. (Vielleicht war es auch ein sehr großer Hase; ich bin relativ kurzsichtig inzwischen.)
Ich mochte nicht den üblichen Weg an der Straße entlang nehmen
und ging durch die Felder. Das dauert ein bisschen länger, ist aber viel ruhiger.
Normalerweise gehe ich schnell und bleibe auch nicht stehen. Das ging heute nicht. Es war einfach viel zu schön. Ich durfte einem Sperber beim In-der-Luft-stehen zusehen, der Sonne beim Weg in den Horizont, konnte den Flug einer Gabelweihe verfolgen, habe dem Knirschen meiner Schritte im Schnee zugehört und die Kälte gerochen.
Meine Haare waren auf einmal weiß vom Reif, und mein Atem gefror vor meiner Nase.
Wann hat es das letzte Mal so wunderschöne Wintertage gegeben?
Ich MUSSTE stehenbleiben. Mich bedanken für dieses Bild, der Kälte sagen, dass sie einzigartig ist.

Sie frieren sich den Arsch ab? Sie hassen die Kälte? Die letzten beiden Tage haben Sie Stoßgebete zum eiskalten Himmel geschickt, dass Ihr Auto anspringt? Ihr Nachbar hat nicht gestreut?

Hören Sie für einen Moment auf zu schimpfen. Gehen Sie auf den Balkon oder vor die Haustür, wenn Sie keinen haben. Schauen Sie nach oben. Da sind Millionen von Sternen, die nur darauf warten, Ihnen Wesentliches zu zeigen. Strecken Sie Ihren Zeigefinger nach oben. Atmen Sie die klare, kalte Luft. -18,5°. Schauen Sie, wie der Dampf aus den Schornsteinen senkrecht zum Himmel steigt.
Und wenn morgen wieder eine dunkelrote Sonne den Reif auf Bäumen, Büschen und Feldern zum Leuchten bringt, haben Sie vielleicht Lust, einmal hinzuschauen. In Farben zu baden, Kälte auf der Haut zu spüren, vielleicht sogar die nackten Füße einmal kurz in den Schnee zu stellen? (Vergessen Sie nicht, vor dem Barfußlauf ein paar Nüsse und Rosinen einzustecken für den einen oder anderen Vogel, der Lust auf Frühstück haben könnte.)

Wenn Sie allerdings gerade auf einer vollkommen anderen Landkarte unterwegs sind, Schnee und Kälte hassen wie die Pest und es Ihnen scheißegal ist, ob und wo irgendwelche Vögel unterwegs sind, und falls Sie mich draußen beim Herumrennen, -stehen oder Staunen erwischen, dürfen Sie mir gern eins in die Fresse hauen. Und mir, während ich beeindruckt am Boden liege, sagen: "Mir doch egal, ob Du Schnee toll findest! ICH friere mir gerade den Arsch ab!"
Aber dafür müssen Sie raus!

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