23 Juli 2011

Nachrichten aus der Anstalt - Tag 4

Wunder geschehen, allerdings nicht bei meiner Flurnachbarin. Nachdem wir beide ein freies Wochenende verbringen dürfen (die vergangenen drei Tage waren mit viel Warten auf verspätetes Personal und die Anwendung recht stressig), haben wir heute das Leckerli in unseren Briefkästchen gefunden: Den Therapieplan für die ganze nächste Woche! Während ich Rudelwalken, die Fähigkeiten eines hauseigenen Diplompsychologen bezüglich der Beruhigung mordlustiger und krawallgebürsteter Rehabilitanten testen, gegen 12.30 Uhr das nährstoffarme und und an Fetten und einfachen Kohlenhydraten reiche Mittagessen genießen und fast unmittelbar danach rückenschonend beim Feldenkrais herumliegen darf, hat die Arme nur einen Termin pro Tag. Plus Mittagessen. Das steht nämlich ebenfalls als Termin auf dem Therapieplan, entweder, damit dieser voller aussieht oder weil man das in der Abrechnung als "abhärtende Maßnahmen" bucht.

Unsere persönlichen Therapiebemühungen starteten wir nach dem Abendessen, sind erst im Kurpark spazieren gegangen und haben dann das Gelände zwecks psychologischen Aufbautrainings verlassen. Zwar verbietet die Hausordnung der Rehaperle im Weserbergländischen bei Androhung eines Rauswurfs (der mir nach drei Tagen nicht beziehungsweise möglicherweise von mir unbemerkt gebliebener Rehabilitationsmaßnahmen nicht halb so dramatisch erscheint wie beim ersten Lesen, als ich noch dachte, hier würde mir geholfen) Alkoholgenuss auf dem Zimmer, erlaubt aber Bier, Wein und ähnliche "leicht alkoholische" Getränke im rehazentrumseigenen Café und im Anschluss daran sternhagelvolles Aufsuchen des Zimmers bei gleichzeitigem Absingen schmutziger Lieder. Es besteht offensichtlich ein Unterschied darin, wie der Alkohol transportiert wird. Trägt man ihn in Flaschen, ist es böse. Hat man ihn schon in sich drin, bleibt die Hausordnung gewahrt.

Also bin ich jetzt sternhagelvoll. Ohne Flasche. Ohne Singen. Außerdem beschwerdefrei, abgesehen von einer fiesen Infektion, für die sich weder meine hier behandelnde Ärztin noch das scheue Pflegepersonal zuständig fühlen und mit der ich irgendwie selbst fertig werden muss.
(Die durch die Rehamaßnahme verursachten Zusatzkosten steigen ins Bodenlose...)

Aber ich will nicht schimpfen; das Mittagessen war vollwertig, gesund und frisch. Wir haben auswärts gespeist.

Außerdem bin ich seit ein paar Tagen nahezu schmerzfrei, habe im Kurmittelhaus nach einer höchst gewagten Shakira-Version getanzt (und mich gefreut, dass meine Hüfte sich freiwillig und ohne die Anleitung des Feldenkrais-Anleiters bewegen wollte) und das Bier in mir geraden Schrittes und treppensteigend auf mein Zimmer getragen.

Morgen gehen wir zum Brunch. Irgendwo anders.

"Erst Fango, dann Tango!" hieß es früher.

"Erst Reha, dann Krankengeld!" ist der aktuelle Slogan.

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