02 Juli 2016

Ich will doch nur sägen!

Da stehe ich nun, bei ca. 27° und strahlendem Sonnenschein, gewandet in eine schlecht sitzende Schnittschutzhose Größe S, Socken, Bergstiefel und Schnittschutzhandschuhe, unter denen ich solche aus Baumwolle trage, weil der Schmodder danach immer unter den Fingernägeln hängt. Ich schwitze. Ich fühle, wie mir ein kleines Rinnsal die Wirbelsäule hinab- und Siewissenschonwohin rinnt.
Ich höre die bekannten Worte: "Wir machen jetzt..." und weiß, dass ich noch eine Weile ohne Säge weiterschwitzen werde. Ich kriege jetzt nämlich erst einmal erklärt, wie es geht. Das ist auch gut so, ich könnte mich und andere verletzen, ohne dem kürzlich gefällten Ahorn auch nur ein Zweigelein zu krümmen.
Mein Problem: Ich habe kein räumliches Vorstellungsvermögen und in meinen trinkfreudigen Zeiten die eine oder andere Zelle ersäuft, die den Job hatte, sich Dinge zu merken. Ich muss selber machen. Auch wenn sich Baum und erfahrene Handwerker über mich totlachen. Das sage ich und darf loslegen. Allein. Er geht.

Ich scheitere bereits am Anlassen der Säge. Das Mistding grummelt, röhrt und sprotzt, aber es sägt nicht. Also kleinlaut und immer mehr schwitzend die Treppen zur aktuellen Arbeitsstelle des besten Ehemannes und Handwerkers von allen hinaufgeklettert, damit dieser die Säge in Gang setzt.
Können Sie sich vorstellen, wie blöd frau sich vorkommt, wenn sie gerade noch proklamiert hat: "Ich kann das alleine! Ist ja nicht das erste Mal!" und dann schon scheitert, bevor irgendetwas angefangen hat?

Der beste Ehemann ist das unter vielem anderen auch deswegen, weil er ohne mir sichtbar werdende Häme die Säge anlässt, mir noch ein paar Tipps mit auf den Weg gibt und mich dann zu meiner aktuellen Arbeitsstelle, dem Ahorn, entlässt. Ich glaube, er ist ganz froh, mich nicht in seinem direkten Sichtfeld zu haben - es muss schwer aushaltbar sein, anderen beim Dilettieren zuzusehen, wenn man weiß, dass man es viel besser, vor allem aber schneller tun kann.

Mittlerweile läuft mir der Schweiß schon in die Bergstiefel, die verdammte Sonne hört nicht auf zu scheinen, und ich habe noch gar nicht wirklich gearbeitet. Ich wuchte ein Stückchen Stamm auf den Sägebock und lege los. "Wiauwiauwiauhrmschpf." macht die Säge, bohrt sich in den Stamm und geht nicht wieder raus. Dafür aber aus. Nein, ich werde jetzt nicht kleinlaut wieder zu meinem Mann stapfen und dabei wahrscheinlich einem Hitzschlag erliegen! Ich werde diese verdammte, nichtsnutzige Stihl wieder aus dem Stamm ziehen, und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue! Dabei heißt es doch immer, ein richtiger Mann braucht eine Stihl. Ich bin ein richtiger Mann! Naja, ich habe mich kurz wie einer gefühlt, und genau jetzt wäre ich auch gern einer. Dann müsste ich nämlich nicht mit brutaler Gewalt das Sägeblatt aus dem Ahorn zerren, sondern wäre schon dreimal fertig.

Also. Ich bin kein Kerl, ich habe eine Stihl, ich will sägen. Jetzt. Störungsfrei. Bis ich fertig bin. Ich schicke ein kurzes Stoßgebet zu meinem guten alten Kumpel Odin, der mir ja auch beim Strandmarathon sehr nahe war - und siehe da, die Stihl sägt! Halleluja! Schuldigung, "Heil Dir, Odin!" meine ich natürlich.

Ich fange vielleicht besser mit einem kleinen Ast an. So einen, den man auch mit einer Schere abkriegen würde. Ich brauche ein Erfolgserlebnis. So! Ab.

Nach und nach arbeite ich mich zu den dicken Angstgegnern vor. Es dauert seine Zeit, aber das ist mir inzwischen egal. Beim Gemüseschneiden ist mein Mann auch schneller. Ich rede mir einfach ein, dass dies eine besondere Form der Meditation ist.

Fertig. Das Stämmchen liegt in ofengerechten Portionen vor mir. Ich bin eine schwitzende Heldin. Und ich sehe voll cool aus in meinen Schnittschutzklamotten. Jetzt, wo ich schmutzig bin, sollte ich doch mal auf die Straße gehen und die Nachbarn beeindrucken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen