Der 2. Weihnachtstag ist ja irgendwie "über". Alte Brötchen werden aufgebacken, die Gans von gestern zusammen mit den Beilagen aufgewärmt, übriggebliebene Kartoffeln und Knödel in einen anderen Zustand versetzt; der Nachtisch wird gestreckt, Wein- und Sektflaschen mit den Worten "Muss ja weg, der Kram!" geleert. Der traditionelle Weihnachtsspaziergang fällt um die Hälfte kürzer aus, die Kirche wird keines Blickes mehr gewürdigt, und die letzten Verwandtenbesuche werden mit schwindendem Enthusiasmus absolviert. Hier rechnet man auch nicht mehr mit vernünftigen Geschenken - sonst hätte man die Tante und den Onkel ja schon zu Heiligabend eingeladen.
Berge von Abwasch werden bewältigt, die ersten Gedanken sind schon beim aktuellen Aldi-Prospekt und der Frage, welches Feuerwerk man dieses Jahr zünden möchte und wieviel davon. Morgen muss die Beschaffung neuer Alkoholika in Gestalt von Sekt und Cocktailzutaten für die Silvesterparty in Angriff genommen und erste Umtauschaktionen geplant werden.
Wäre ich der 2. Weihnachtstag, ich wäre beleidigt. Eben musste ich noch das ganze heilige und harmonische Gedöns ertragen, um jetzt stiefmütterlich links liegen gelassen zu werden. Auch das Fernsehprogramm lässt nach: Nicht einmal den neuen "Winnetou" gibt es heute. Stattdessen wird zum x-ten Mal der "Herr der Ringe" aus dem Archiv geholt und in Form einer Dauerwerbesendung mit Filmunterbrechungen präsentiert.
Erste Abreisevorbereitungen werden getroffen, morgen ein letztes gemeinsames Frühstück eingenommen. Niemand macht sich mehr die Mühe, den Tisch schön zu decken oder frische Brötchen zu kaufen; der alte Kram muss jetzt wieder reichen.
Und dann ist es vorbei. Ein kurzes Aufatmen geht durch die Welt. Waffen, die pro forma für ein paar Stunden beiseite gelegt worden waren, werden wieder hervorgeholt, Waffenstillstandsvereinbarungen beendet oder einfach so gebrochen, der doofe Nachbar beschimpft und dem Prekärpack von unten an der Straße die Polizei auf den Hals gehetzt, weil die ihre Scheißbeleuchtung immer noch nicht abgebaut haben. Ist ja nicht zum Aushalten, dieses Geblinke!
Ein Jahr lang dürfen wir uns wieder wie die ... (bitte selbst ein passendes Wort einsetzen; ich möchte Sie da nicht beeinflussen.) verhalten, die wir vor Heiligabend waren.
"Luja!" soag i.
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