Stellen Sie sich vor, Sie hätten das Buch von Björn Kern gelesen: "Das Beste, was wir tun können, ist nichts". Diese Idee finden Sie großartig und bekommen nach dem entsprechenden Kapitel auch sofort Lust, eine Taube aufzublasen.
Aber erst brauchen Sie noch ein wenig Hintergrundwissen. Auch Nichtstun will ordentlich vorbereitet sein, und schließlich wird es ganz sicher die eine oder andere Person in Ihrem Leben geben, der Sie vernünftige Argumente präsentieren müssen. Sie lesen also weiter, z.B. von Frigga Haug "Die Vier-in-einem-Perspektive". Darin vertritt sie u.a. die These, dass die klassische Erwerbsarbeit nicht die allein selig machende oder dem Gemeinwesen nützende Arbeitsform ist. Vielleicht stöbern Sie nach dieser Lektüre noch ein wenig bei den unterschiedlichen Ansätzen eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Jetzt kann es losgehen! Ab heute wird nichts getan!
Wie ist es denn aber mit der Krankenversicherung? Wenn Sie bisher im Erwerbsleben gestanden und Ihren Job zugunsten des Nichtstuns gekündigt haben, wurden Sie dafür ja zunächst einmal mit einer Sperre durch die Agentur für Arbeit bestraft. Sie müssten also zunächst dort wegen Ihrer Versicherung nachfragen. (Zur Sinnhaftigkeit von Anrufen bei der dortigen Servicerufnummer lesen Sie gern noch einmal hier nach: http://denkversuche.blogspot.de/2017/02/10-tipps-wie-sie-erfolgreich-lebenszeit.html).
Auf gar keinen Fall wollen Sie in die Fänge des Systems geraten und Arbeitslosengeld II, auch liebevoll "Hartz IV" genannt, beziehen. Dazu müssten Sie bis auf einen sehr geringen Freibetrag erst einmal alle Ihre Reserven aufbrauchen und billigend in Kauf nehmen, dass diese Form der Alimentierung doof und abhängig machen kann. Sie beschließen, dass Sie das viel lustiger mit alkoholischen Getränken erreichen können und denken zunächst einmal über Ihren Status nach.
Was sind Sie denn jetzt, so als Nichtstuer? Was macht ein Nichtstuer, wenn er krank wird oder mal einen neuen Kühlschrank braucht? Was sagen die arbeitenden Freunde, Verwandten und Nachbarn? Wie wollen Sie denen denn verkaufen, dass Sie sehr wohl zu einer besseren Welt beitragen - durch Nichtstun statt Konsum. Wie ist ein Nichtstuer gegen das Leben abgesichert? Gibt es neben der Krankenversicherung auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung? Was ist mit dem Hausrat? Dem Auto? Achja, das hätten Sie ja verkauft.
Was ist, wenn das Ersparte alle ist? Sie könnten containern. Oder eine Weltreise ohne Geld unternehmen, dazu Presse, Funk und Fernsehen einladen und sich sponsern lassen. Aber dann täten Sie ja schon wieder etwas!
Was machen Sie, wenn Ihre Frau Mama gefragt wird, was der Nachwuchs gerade arbeitet, und die muss "Ach, die plant wohl irgendwas." antworten, weil es ihr grottenpeinlich ist, dass Sie nichts tun.
Und ganz von all diesen äußeren Bedingungen abgesehen: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie es sich anfühlen wird, wenn Sie verbandelt sind und Ihr/e Liebste/r einem ordentlichen gesellschaftskompatiblen Broterwerb nachgeht (und das auch noch zu allem Elend gern), während Sie blöd herumsitzen, Nichtstun üben oder in Ermangelung von Tauben auf der Jagd nach aufblasbaren Amseln sind?
Sie sehen, es ist noch ein weiter Weg zu gelingendem Nichtstun. Der Herr Kern hat sich ja irgendwo im Oderbruch einquartiert. Wenn der nächste Nachbar ein paar Kilometer weit weg wohnt und die Familie ein paar hundert, mag das funktionieren. Wahrscheinlich funktioniert es auch auf sehr kleinen Inseln, die unter dem demographischen Wandel leiden; da hat ohnehin kaum noch jemand Arbeit, und man könnte versuchen, sich unterzumogeln.
Aber hier, mitten unter arbeitendem und konsumierenden Volk, festgetackert an ein System, das einen in die Kategorien "Fleißig", "Arbeitsfähig", "Faul", "Krank", "Alt" einstuft und ein entsprechendes Verhalten erwartet, ist das eine echte Herausforderung.
Vielleicht sollten wir uns zusammentun? Sie und ich sind doch bestimmt nicht die Einzigen, die sich jetzt schon seit Monaten höllisch anstrengen, um ein ordentlicher Nichtstuer zu werden!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen