Der Arzt stellt, wenn der Mensch das erste Mal dort ist, die üblichen Fragen: Vorerkrankungen? Chronische Erkrankungen? Allergien? Schon einmal operiert worden? Raucher? Trinker? Drogenkonsum? Wenn es ein guter Arzt ist, fragt er auch nach der täglichen Bewegung und dem allgemeinen Lebensstil.
Dem Raucher wird geraten, weniger zu rauchen oder ganz aufzuhören.
Dem Drogenkonsumenten wird geraten, eine Therapie zu machen und aufzuhören.
Dem Übergewichtigen wird geraten, sich gesund zu ernähren und Sport zu treiben.
Dem Gestressten wird geraten, es ein wenig ruhiger angehen zu lassen.
Dem Trinker wird geraten, in Maßen zu trinken. (Merken Sie was?)
Jetzt nehmen wir einmal an, der Mensch hätte einmal gesoffen und tut es jetzt nicht mehr. Er sagt also auf die Frage nach dem Alkoholkonsum: "Ich bin seit 23 Jahren trockener Alkoholiker."
Sehen Sie das Konfetti? Hören Sie den Arzt in Begeisterung ausbrechen angesichts einer solchen Leistung? Hören Sie das Schulterklopfen? (Hier müssten Sie wissen, dass nur ca. 1% der Menschen, die in irgendeiner Form unter Alkoholmissbrauch leiden, es schafft, dauerhaft mit dem Saufen aufzuhören.)
Das findet alles nicht statt? Dann befinden Sie sich nicht in Amerika, dem Land, das die Organisation "Anonyme Alkoholiker" in hohem Maße wertschätzt und unterstützt und trockene Alkoholiker für Menschen hält, die es geschafft haben. Sie befinden sich in Deutschland. Hier geht man davon aus, dass der Betreffende entweder eine üble Spaßbremse ist und den anderen die paar Gläschen nicht gönnt oder ein willensschwaches, asoziales Subjekt, das von Rechts wegen auf eine Parkbank oder unter eine Brücke gehört. Hier wird nicht "seit 23 Jahren trocken" gehört, sondern nur "Alkoholiker".
Hier wird aber auch nichts dafür getan, dass es weniger Menschen gibt, die dem Alkohol verfallen. Schauen Sie sich um, hören Sie zu, sehen Sie fern! Und schreiben Sie mir gern, wenn Sie irgendwo eine alkoholfreie Zone entdecken, bei der es sich nicht um ein Meeting der Anonymen Alkoholiker handelt.
Was glauben Sie, was der Arzt sagen wird? Ich tippe auf "Wenn Sie dann einen Rückfall haben, sollten Sie nicht Auto fahren."
Sie fragen sich, was mich das angeht und warum ich überhaupt darüber schreibe? Ich verrate es Ihnen: Ich bin eine nicht trinkende Spaßbremse mit guter Beobachtungsgabe. Und ich finde, dass es an der Zeit ist, eine Krankheit, an deren Folgen Jahr für Jahr ca. 70.000 Menschen allein in Deutschland sterben, beim Namen zu nennen, statt sie sich weiter ungefährlich und gemütlich zu saufen.
Mein nächster Post wird wieder lustig, versprochen. Ich fahre morgen nach Ostwestfalen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen