02 August 2017

Frauen hüten das Feuer und sind aufmerksam für so ziemlich alles. Männer lesen die Tagesschau-App.

Kürzlich beschwerte sich ein guter Bekannter bei mir darüber, dass er von seiner Frau um die Mittagszeit vollgequatscht würde. "Dabei weiß sie ganz genau, dass man mit mir um diese Zeit nicht reden kann. Ich habe dann Hunger! Und wenn ich Hunger habe, bin ich unleidlich und kann nicht denken. Warum begreift sie das bloß nicht? Das macht sie schon so, seit wir verheiratet sind!" jammerte er.
Ich habe ihm geantwortet, dass dieses Verhalten mit der Unmöglichkeit gelingender Kommunikation zwischen Männern und Frauen zu tun habe. Wir Frauen können uns einfach nicht vorstellen, dass es Wesen von unserer Art gibt, die nicht in der Lage sind wahrzunehmen, was um sie herum vorgeht, die nicht unbewusst und ununterbrochen ihre Umgebung scannen, auf Schwingungen reagieren, die ihr Tun nicht sofort unterbrechen, wenn es irgendwo hüstelt und die eigenen Gedanken so lange zurückstellen, bis unser jeweiliges Gegenüber in aller Ruhe die eigenen sortiert hat. 

Dem Bekannten gegenüber habe ich allerdings alles weggelassen, was nicht mit dem Gedankengut eines Jägers und Sammlers kompatibel ist. Also alles bis auf den ersten Satz.

Ich bin neidisch. Ich will das auch können. Ich will mein Gegenüber anblaffen können, weil ich gerade Hunger habe. Ich will ignorieren, dass es zu meinen Füßen an Atemnot eingeht, weil ich gerade eine E-Mail schreibe oder in der Tagesschau-App stöbere. Ich will immer genau das tun können, was ich gerade tue und dabei nicht merken, was um mich herum vorgeht.

Kann ich aber nicht. Ich betrete einen Raum, und sofort stellen sich alle meine Antennen auf. Und glauben Sie mir, das sind eine Menge! Ich scanne Stimmungen, Veränderungen, bemerke die neue Frisur oder dass sich jemand ein neues Hemd zugelegt hat. Wenn der Hund kotzt, wird mir auch schlecht, beim Lesen der Nachricht, dass sich ein Teenager auf der L753 in Niederbayern totgefahren hat, muss ich genauso heulen wie vor vielen Jahren bei der Beerdigung von Josef Strauß; Staubflocken fange ich im Flug, weil ich weiß, dass mein Gegenüber allergisch auf Hausstaubmilben reagiert.

Das ist oft irre anstrengend und scheinbar mehrheitlich ein weibliches Phänomen. Zumindest sind die männlichen Menschen, die ich kenne, nicht oder nur wenig von dieser Fähigkeit betroffen. Ist wahrscheinlich evolutionär bedingt. Hätten wir Frauen uns damals nicht so darum gerissen, die Brut und das Feuer zu bewachen und uns nicht an den Haaren in irgendwelche Höhlen schleifen lassen, wäre jetzt wahrscheinlich alles anders.

Neandertaler, Prähistorische, Berge  Frau, Tiger, Amazone, Heldin, Stolz
Nämlich nicht so,                                 sondern so!

Ich stelle mir gerade vor, wie der beste Ehemann von allen tränenüberströmt am Küchenfenster steht, weil er die Nachbarskatze so herzallerliebst findet, dass mein Chef mich mit den Worten begrüßt: "Steht Ihnen gut, Ihre neue Frisur!", statt mich anzumaulen, weil ich vor ein paar Wochen die Steckdose beim Verlassen des Carports aus der Wand gerissen habe oder dass der Herr Dobrindt sich vor die Presse stellt und sagt: "Liebe Dieselfahrer/innen, ich fühle mit Ihnen! Sie müssen sich so betrogen und missbraucht vorkommen! Deswegen werde ich dafür sorgen, dass die böse Autoindustrie jetzt alle Kosten, die durch ihre Betrügereien entstehen, ganz alleine trägt." 

Wäre die Welt dann eine bessere? Möglicherweise. Aber über was würde ich dann noch schreiben können? Über niedliche Hoppelhäschen auf der saftiggrünen Wiese? 

 Europäische Kaninchen, Hasen, Gras

Bin weg. Habe unten den Hund etwas lauter atmen hören, und das bedeutet, dass er dringend Gassi gehen muss.

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