Heute früh, auf dem Weg zur Arbeit, kurz bevor die HR1-"Wetterpiloten" berichten, wie das Wetter in Vellmar, Sontra, Niederaula... gerade ist, lief "Bette Davies Eyes" von Kim Carnes. Das war in den Achzigern ein One-Hit-Wonder und erreichte meine beste Freundin Silke und mich in einer Art Überlebensurlaub in Frankreich. Ich sechzehn, sie fünfzehn Jahre alt, weit weg von zuhause, das Geld für drei Wochen bereits in der ersten auf den Kopf gehauen, ein nasses Zelt irgendwo auf einem Acker stehengelassen und jetzt schnorrend und mundraubend unterwegs.
Dieses Lied liebten wir. Und "Imagine" und "Woman" von John Lennon, die auch gerade rauf- und runterliefen. Also haben wir die letzten Centimes, die wir noch in den Taschen hatten, zusammengekratzt und in die Jukebox* geworfen. Dann saßen wir da, Hunger im Bauch und kein Geld mehr für einen Kaffee, ließen stattdessen ein Glas Wasser verdunsten und hörten beseligt zu.
Ich hatte heute früh doch tatsächlich ein paar Tränchen in den Augen...
Das letzte Geld für ein Lied ausgeben, Kosmetiktücher kauen gegen den Hunger, Abenteuer mit dem Interrail-Ticket - irgendwie war das eine besondere Zeit, und wir waren beide der Überzeugung, dass das Leben noch eine Menge zu bieten haben würde.
Heute höre ich iTunes oder zwangsweise HR1, esse zuviel Stollen und Schokolade und war weder in Australien noch in Alaska. Eigentlich will ich da auch gar nicht mehr hin. Zuhause ist es ja auch schön. Trotzdem... Wo sind all die Träume geblieben, die ich zu "Bette Davies Eyes" geträumt habe?
Für Smartphonekids: Eine Jukebox ist ein Gerät, in dem sich eine Menge Schallplatten (schwarze Scheiben mit einer Rille und Musik drauf) befanden. Man warf Geld hinein, tippte auf einer Auswahl an verschiedenen Songs auf die, die man hören wollte, und die wurden dann automatisch gespielt. Stand
früher in vielen Kneipen.

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