25 Januar 2018

Auch ich habe (m)eine #metoo-Geschichte

Denn bei #meetoo geht es ja, wenn ich es richtig verstanden habe, um Missbrauch oder Missbrauchsversuche an Frauen, die vor mehr als 10 Jahren stattgefunden haben und niemals zur Anzeige gebracht wurden. Erst jetzt, viele Jahre später, mit den Errungenschaften von Social Media und World Wide Web, wagen es die Opfer, ihre Geschichten zu erzählen. Öffentlich. Na, endlich! Der Feminismus ist gerade erst entstanden, und Selbstverteidigungkurse für Frauen waren schon immer einem kleinen, wohlhabenden Zirkel vorbehalten.
Darum habe jetzt auch ich den Mut, meine Geschichte zu erzählen, die ich seit langer Zeit mit mir herumtrage; denn die Straftat, von der die Rede sein wird, ist inzwischen verjährt.  Wobei es hier mehr um meine als um SEINE Straftat geht...

Satiremodus aus.

Vor vielen, vielen Jahren trat ich meine erste Nachtschicht als Taxifahrerin an.

Automobil, Verwischen, Auto, Hautnah Die Schicht verlief ohne nennenswerte Vorfälle - bis irgendwann in den frühen Morgenstunden ein männlicher, sturzbetrunkener Fahrgast einstieg und sich von mir in die 25 Kilometer entfernte nächste Kleinstadt chauffieren ließ.
Dem Mann wuchsen, kaum dass er auf dem Beifahrersitz Platz genommen und das Fahrtziel gelallt hatte, drei weitere Hände, mit denen er an mir herumtatschte. Ich behielt eine meiner Hände am Lenkrad und wehrte ihn mit der anderen ab. Das war nicht besonders schwer, betrunken, wie er war. Ich fühlte mich zu diesem Zeitpunkt übrigens nicht belästigt, sondern nur genervt.

Am Ziel angekommen erklärte er mir mit Unschuldsmiene, dass er kein Geld mehr dabei hätte und ich ihn doch bitte in seine Wohnung begleiten möge, um es zu erhalten. In meinem weiblichen Gehirn arbeitete es: Blieb ich in meiner Taxe sitzen und wartete darauf, dass er mit dem Geld (immerhin fast 50 DM* und damit für damalige Verhältnisse viel) wiederkam, würde ich wohl bis zum St. Nimmerleinstag warten müssen.
Ging ich mit, würde es vielleicht Geld und sehr wahrscheinlich Ärger geben.
Ich entschied mich für wahrscheinlich Ärger und vielleicht Geld. 
Noch einmal: ICH. ENTSCHIED. MICH. Ich hätte auch die Polizei rufen und ihn anzeigen können.

Wir gingen also durch ein paar Hinterhöfe zu seiner Wohnung, er öffnete die Tür, ich ging an ihm vorbei, und - schwupps! - lag ich rücklings auf einem Bett und er auf mir drauf. Er war ziemlich schwer und stank nach Schnaps, aber das nur nebenbei.
Ich tastete um mich herum, bekam einen Wecker zu fassen (eines von diesen Mördergeräten mit Glocken, die es früher mal gab) Wecker, Sommerzeitumstellung und schlug ihm das Ding so fest ich konnte auf den Kopf. Mehrmals. Er rollte von mir herunter, was mir die Gelegenheit gab, ihm auch noch einen beherzten Kniestoß zwischen die großen Zehen zu verpassen. Boah, war ich wütend!!! 
Für einen Moment war ich in ernsthafter Versuchung, so lange auf ihn einzutreten, bis meine Wut verraucht sein würde; ich ließ das jedoch bleiben, weil irgendetwas in meinem Gehirn von "Angriff" auf "Denken" umgeschaltet hatte, prüfte kurz seinen Puls, legte ihn in die stabile Seitenlage, schnappte mir das Portemonnaie, das aus seiner Hosentasche lugte (das Aas hatte nämlich doch Geld gehabt!), nahm mir alle Scheine, die drin waren (Schmerzensgeld), verließ die Wohnung, stieg in meine Taxe und fuhr zurück.

Auf der halben Strecke musste ich kurz anhalten, weil ich so zitterte und mir auf einmal der Gedanke durch den Kopf schoss, dass der Kerl ja viel größer und schwerer als ich gewesen war und was denn bloß wäre, wenn ich ihn aus Versehen abgemurkst hätte.

Wonder Woman, Mädchen, SuperWährend der nächsten Tage studierte ich gründlich den Lokalteil der örtlichen Tageszeitung. Er schien überlebt zu haben. Und ich war stolz wie Bolle, das gebe ich gern zu.

Ich war 22 Jahre alt, 1,70 Meter groß und wog etwa 60 Kilogramm. Ich hatte weder einen Selbstverteidigungskurs absolviert noch jemals irgendeinen Kampfsport gelernt. Ich war auch nicht besonders mutig, kräftig oder aggressiv; ich war eine ganz normale junge Frau. Und ich hatte überhaupt keine Lust darauf, mich von einem hergelaufenen Arschloch vergewaltigen zu lassen. That's it.

Die Moral von der Geschicht'? Männer, die es nötig haben, Sex zu erzwingen, sind keine starken Männer, sondern arme Würstchen, egal wie (einfluss-) reich sie sein mögen.
Liebe Damen, wir können uns wehren - und zwar entweder in dem Moment, in dem man uns angreift oder unmittelbar danach mit einer Anzeige! Wir müssen es aber auch tun und nicht monetäre oder berufliche Interessen vor unsere körperliche Unversehrtheit und die eventuell nachfolgender Geschlechtsgenossinnen stellen. Liebe Herren, lassen Sie die Finger von Frauen, die nicht freiwillig "Ja" sagen - Sie könnten an eine wie mich geraten.




*D-Mark: Diese Währung könnten Sie noch kennen, wenn Sie vor 1992 geboren sind. 2002 wurde der Euro eingeführt, und die D-Mark führt seitdem ein Schattendasein in deutschen Schubladen.

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