14 Juli 2018

Das höfliche Mailprogramm

Gerade wollte ich eine E-Mail abschicken. Am oberen Bildschirmrand tauchte rosa unterlegt der Satz auf: "Sind Sie sicher, dass Sie eine gültige E-Mail-Adresse hinzugefügt haben?"

Ich finde das sehr freundlich. Es gibt mir das Gefühl, nicht der Oberschwachkopf zu sein, weil ich zu blöd bin, eine Adresse ins dazugehörige Feld einzutragen, sondern eben einfach noch einmal etwas überprüfen zu müssen.
Wut Kampf Faust Kämpfen Streit Hand Boxen
Dieses "Verhalten" meines Mailprogramms ist so gar nicht deutsch. Denn dann hätte da oben gestanden: "Mailadresse einfügen!" oder "Mail kann nicht versandt werden." ohne einen Hinweis darauf, warum das nicht geht. Wir Deutschen sind nämlich selten so nett, unserem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu wahren. Wir hauen lieber noch einmal ordentlich drauf.

Das tun wir bei einem Mesut Özil, der einfach nur zu blöd war, über die Folgen eines Pressefotos nachzudenken, wir tun es ganz allgemein bei der deutschen Fußballnationalmannschaft, wir tun es beim Nachbarn, der nicht sofort auf unseren Zuruf das Unkraut von der Grundstücksgrenze entfernt und wir tun es, wenn es um die wirklich Ärmsten geht, die im Mittelmeer um ihr Leben kämpfen.

Wir fragen uns nicht: "Sind wir sicher, dass diese Politik noch etwas mit Menschlickeit zu tun hat?". Wir sagen: "Sollen mal noch ein paar Hundert ersaufen, dann kommen weniger!" Draufhauen eben, und gern auf Schwächere.

Was mich wieder zu meinem Mailprogramm bringt. Da bin ich nämlich auch die Schwächere, allerdings muss ich nicht wegen einer E-Mail um mein Überleben kämpfen. Es geht mir gut, das Trinkwasser strömt aus dem Hahn; wenn ich einen Schalter drücke, geht das Licht an, ich gebe mehr Geld für meinen Hund aus als einer der Menschen, die in ihrer Verzweiflung den Tod in Kauf nehmen, im Jahr verdient.

Aber auch das ist wohl deutsch: Dieses Gefühl, nicht genug zu bekommen, benachteiligt zu sein, übervorteilt zu werden. Manchmal ist dieses Gefühl auch ganz richtig - wenn es beispielsweise um Automobil- und Stromkonzerne, Steuerflüchtlinge und Bildung geht. Aber das merken die wenigsten und zeigen lieber mit dem Finger auf die, denen es wirklich schlecht geht. 

Hinweis Vorwurf Beschuldigen Schuld Finger

Ups, da bin ich ein bisschen vom Thema abgekommen! Was ein höflicher Hinweis des Mailprogramms doch für ganz andere Gedanken auslösen kann...

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