29 Mai 2008

"Die jungen Leute..."

waren vor längerer Zeit meine erste Begegnung mit dem Alterungsprozess. Vor einigen Jahren, als mein damaliger Sozialpartner und ich in unsere erste gemeinsame Wohnung einzogen, wurden wir sofort von der älteren Dame im ersten Stock, die für Ordnung, Sauberkeit und Disziplin im Hause zuständig war, als "die jungen Leute" bezeichnet. Ich war schon über dreissig, mein Liebster arbeitete daran, und so empfanden wir diesen Titel durchaus als schmeichelhaft.
Jahre später zog dann ein junges Studentenpärchen ein. Ich fühlte mich immer noch jung. Eigentlich. Bis die ältere Dame vom ersten Stock das erste Mal "Die jungen Leute von gegenüber" sagte und mir damit schmerzlich bewußt machte, dass wir jetzt in ihren Augen aus dem Alter für diesen Titel heraus waren. Der einzige Vorteil, den ich daran finden konnte, war die Tatsache, dass unserem Alterungsprozess zufolge jetzt den "jungen Leuten von gegenüber" die Aufgabe der Treppenhausreinigung zufiel und wir nicht mehr gefragt wurden. Allerdings muss ich gestehen, dass ich lieber weiter den Flur geputzt hätte als von einer doppelt so alten Mitbewohnerin in den Kreis ihrer Altersgenossen aufgenommen zu werden.

Mein biologisches Alter hat sich seitdem nicht nennenswert verändert, mein gefühltes liegt noch immer bei 32einhalb. Falsch. Es lag bei 32einhalb. Bis gestern. Da führte mir ein Gespräch mit einem jungen Mann den Methusalem in mir vor Augen. (Ich glaube, einen weiblichen Methusalem hat es nicht gegeben, die Jungs haben wohl ihre Damen entweder um die Ecke gebracht oder die älteren Frauen schlicht totgeschwiegen. Ist auch eine Form von Mord, finde ich.) Aber ich schweife ab, was bei älteren Menschen ja häufiger vorkommen soll.

Ich stand also gestern mit dem betreffenden Herrn, den ich auf Baujahr 1980 schätzte (Im Nachhinein, vorher hatte ich mir darüber keine Gedanken gemacht!), im Fitnessclub. Er hatte einen Proteinshake, ich trank Kaffee, und irgendwie kam unser Gespräch auf Hunde. Wir zählten alle möglichen Rassen auf, die wir favorisierten, und er erklärte, dass er Dobermänner über alles liebe. "Achja", sagte ich, "das erinnert mich an die Jungs. Die fand ich auch großartig."
"Die Jungs?" fragte er und sah mich verständnislos an.
"Na, Zeus und Apollo, die Hunde von Higgins!"
Er legte seine glatte Stirn in Falten. "Keine Ahnung, wovon Du sprichst."
Ich fand ihn recht begriffstutzig. "Ja, hast Du denn nie MAGNUM gesehen, Tom Selleck, Higgins, T.C.?"
"Ne, Du, das war lange vor meiner Zeit. Ist doch so ein Achzigerkram, oder?"
Ups.
Das ist doch noch gar nicht so lange her? Habe ich nicht noch vor kurzer Zeit Dienstags vor dem Fernseher gesessen und auf den Beginn von "Magnum" gewartet? Für die jungen Leute unter den LeserInnen: Die Serie begann immer um 21.45 Uhr, nach "Report", "Monitor" oder einem ähnlichen Magazin. Ich habe noch die Titelmelodie im Ohr, sehe Tom Sellecks Grübchen und freue mich darüber, wie er auf seine ganz eigene Art die Augenbrauen hochzieht.

Sogar zwei meiner Kater habe ich nach dieser Serie benannt! Leider sind beide schon im Katzenhimmel. T.C. wäre jetzt 21 Jahre alt und Higgins 16.

Jedenfalls veränderte sich mein gefühltes Alter in Nullkommanichts von 32einhalb zu "Wo, zum Teufel, ist mein Rollator!" Der Kaffee schmeckte auf einmal fade, und im Spiegel der Umkleidekabine entdeckte ich tiefe Falten um meine Augen und ekelerregenden Schrumpel an meinem A... Die Sonne hatte ihren Glanz verloren, und nach Feierabend brauchte ich eine halbe Flasche Rotwein, um mich zumindest nicht mehr völlig vergreist zu finden. Heute
habe ich mir dann viel Zeit zum Entfalten genommen.

Übrigens gab es damals noch ein Objekt meiner Begierde. Er hat gerade seine Biographie vorgestellt und steht kurz vor seinem 70. Geburtstag. Das sieht man ihm allerdings nicht an, genausowenig wie mir die ...! Wirklich nicht! Und wenn ich mit 70 Jahren aussehe wie Götz George, werde ich der Göttin der Jugend ein Opfer darbringen.

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