04 Juli 2008

Der Wasserhahn

In meiner Küche gibt es ein Spülbecken, was zunächst für eine deutsche Durchschnittsküche einigermaßen normal sein sollte, ebenso wie die Tatsache, dass ausserdem ein Wasserhahn mit warmem und kaltem Wasser vorhanden ist. Schon kurz nach meinem Einzug fiel mir auf, dass das warme Wasser sehr lange brauchte, um warm zu werden. Dieses Problem habe ich gelöst, indem ich einfach solange laufen liess, bis das Wasser die gewünschte Temperatur hatte. Über eine alternative Lösung dieses Problems habe ich nicht nachgedacht, was daran liegen kann, dass ich Improvisations- und Verdrängungskünstlerin in einer Person, nämlich meiner, vereinige.
Zurück zum Wasserhahn. Viel Wasser hat er auch nie freiwillig herausgerückt, und eines Tages kam selbst dieses wenige Wasser nicht mehr im Strahl, sondern eher in Spritzern. "Da muss was verkalkt sein." dachte ich mir und hielt meine Töpfe dichter darunter, damit nicht alles nassgespritzt wurde. Der Mensch, mit dem ich damals Teile meines Lebens teilte, hat das nicht bemerkt, weil er keine Affinität zu Küchen und den damit vorhandenen Tätigkeiten aufwies.
Ich lebte also weiter mit diesem Wasserhahn, und wenn es schnell gehen sollte, habe ich mir Wasser aus dem Bad geholt; der dortige Hahn war wesentlich freigebiger mit seinen Schätzen. Wärmer war es ausserdem.
Die Partner wechselten. Der Wasserhahn blieb. Der neue Mensch in meinem Leben bemerkte das Problem bei einem seiner seltenen Besuche in meiner Wohnung und riet mir, eine neue Armatur anzuschaffen. Ich fand das zu teuer und hatte mich inzwischen auch an meinen Wasserhahn gewöhnt. Warum sollte ich also für jemanden, der ohnehin nur alle paar Monate seinen Weg in meine Küche fand, etwas ändern?
Eines Tages jedoch, vielleicht eineinhalb Jahre nach meinem Einzug, beschloss ich, diesem Treiben Einhalt zu gebieten und den Wasserhahn zu entkalken. Ich besorgte mir Zitronensäure und rüstete mich mit einer Zange aus. Sofort stieß ich auf das erste Problem: Der Wasserhahn weigerte sich standhaft, sich auch nur einen Millimeter bewegen zu lassen. Da ich weder die Zeit noch die Energie für einen Kampf verspürte, mischte ich kurzerhand etwas Zitronensäure mit Wasser, gab das Ganze in einen Plastikbeutel und befestigte diesen mit einem Gummiband genau unter dem Wasserhahn. Wenn der Hahn nicht zur Zitronensäure kommen wollte, kam eben die Zitronensäure zum Hahn!
Nach längerer Einwirkzeit löste ich den Beutel, drehte den Hahn auf und stellte resigniert fest, dass er jetzt in eine andere Richtung spritzte, sich aber an Durchflussgeschwindigkeit und -menge nichts geändert hatte. "Gut," dachte ich, "der will so sein. Also soll er." Fortan holte ich mir mein Wasser nur noch aus dem Hahn im Bad und ignorierte den renitenten Wicht in der Küche.
All das wäre wahrscheinlich bis zu meinem Auszug so weitergegangen, wenn nicht...

...ein Prinz des Weges gekommen wäre, bekleidet mit einem olivgrünen Blaumann und ausgestattet mit wachen, strahlend blauen Augen. Er betrat zum ersten Mal meine Küche, sah den Wasserhahn, baute ihn aus, tat irgendetwas, baute ihn wieder ein, und ich hatte nicht nur fließendes, sondern auch wärmendes Wasser.

Das Leben ist manchmal von hinreissender Symbolik.

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