19 April 2009

Das Loch und seine Bewohner

Auf meinem Weg gibt es ein tiefes Loch.
Anfangs wusste ich nicht, dass es da war, und latschte darüber hinweg.
Später bin ich einmal versehentlich hineingestolpert.
Nachdem ich wusste, wo es sich befand, habe ich immer wieder versucht, auszuweichen.
Irgendwann habe ich mir eine Decke und ein paar Schnittchen eingepackt, mich hineinfallen lassen und für einige Zeit häuslich eingerichtet.

Als ich es an der Zeit fand, mich wieder ans Tageslicht zu begeben, habe ich erst gründlich aufgeräumt und bin dann aus dem Loch herausgestiegen.
Zunächst dachte ich, ich sollte ein Hinweisschild aufstellen für bewusstseinslose Momente.
Aber ich fand schnell heraus, dass ich entweder eine andere Straße entlanglaufen oder über das Loch hinwegspringen kann.
Ich war sehr stolz und lobte mich jedesmal, wenn ich es unfallfrei passiert hatte.

Eines Tages kam jemand aus meinem Loch herausgesprungen, begrüßte mich freundlich und lud mich ein, ihn hinunter zu begleiten.
Ich fand ihn sympathisch und ging ein paar Schritte mit. Vielleicht hatte er es ja anders eingerichtet?
Auf halbem Wege jedoch stellte ich fest, dass es immer noch das gleiche Loch war. Meines nämlich. Obwohl ER jetzt darin wohnte.

"Sei mir nicht böse," bat ich ihn. "Aber mit diesem Loch bin ich durch. Ich wohne lieber über der Erde. Wenn Du möchtest, kann Dir gern ab und zu ein paar Blumen hinunterwerfen oder Dir die Hand geben, wenn Du nach oben möchtest."
"Aber nein, so geht das nicht!" widersprach er heftig. "Du musst zu mir kommen!"
"Tut mir leid." antwortete ich. "Als ich im Loch gesessen habe, warst Du nicht da. Jetzt ist es mir zu eng da unten."

Sicherheitshalber gehe ich seitdem aber einen anderen Weg - möglicherweise will er mich so dringend in seinem Loch haben, dass er mir ein Bein stellt.

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