26 Juni 2009

Nachlese: 10.450 m Endorphinausstoß

Die Rede ist vom Göttinger Altstadtlauf. Die geschätzten MitleserInnen wissen, dass ich recht verzweifelt versucht habe, mein Übergewicht möglichst punktgenau loszuwerden und kläglich an meiner eigenen Disziplinlosigkeit gescheitert bin.
Natürlich habe ich prompt den Anmeldeschluss verpennt. Ich war ja damit beschäftigt, mit mir, meinem Schicksal und den überflüssigen drei Kilo zu hadern.
Am Sonntag vor dem Lauf entschied ich mich dann, trotzdem zu laufen, und sch... auf mangelhafte Vorbereitung und Übergewicht! Möglicherweise kann man ja auch Spaß haben, ohne in die Nähe der inoffiziellen Zielzeit zu kommen?

Nachmeldungen waren laut Käseblatt ab 16.15 möglich, also verabredete ich mich mit dem Lieblingsex in einem Straßencafé direkt vor den aufzubauenden Zelten. Um ganz sicher zu sein, dass ich wirklich nur für Spaß und nicht für Zeit laufe, bestellte ich mir einen großen Getreidemilchcafé und kippte alle Zuckertütchen hinein, die ich finden konnte. Als Lieblingsex dann mit der üblichen 20-minütigen Verspätung (gefühlt, vielleicht waren es auch nur 15, und er hatte mich gewarnt...) auftauchte, hatten wir beide Hunger. Ich entschloss mich erneut für "Mars Attacks" und "Schnappt Shorty", letzteres wegen der erhofften Spuren von übriggebliebenen Vitaminen.

Dann, später, meldete ich mich nach. Und weil ich arbeiten musste und noch keine Vordrucke vorhanden waren, tat ich das auf einem abgerissenen Zettel. Ich steckte die Startnummer in meine Tasche und vergaß die ganze Sache. Gehirn und Restkörper waren mit Verdauen beschäftigt. Örk.

Im Laufe des Abends tauchte dann - überpünktlich, weil kein Künstler - Lieblingsex Nr. 2 auf (Die Nummerierung der Liebsten ist übrigens eine ganz andere Geschichte, die auf gar keinen Fall erzählt werden will.) und behauptete, ich sei aufgeregt. Völliger Blödsinn! Mein Puls war noch unter 100!

Anklötern, Pulsmesser überprüfen, eine Menge trinken und mindestens dreimal den Waschraum aufsuchen lasse ich jetzt aus und mache beim Start weiter.

Da ich schon den einen oder anderen Lauf auf dem Buckel habe, starte ich aus psychologischen Gründen lieber weiter hinten. Es ist nämlich viel schöner, zu überholen als überholt zu werden.
Am Mittwoch klappte das nicht. Irgendwie war ich sehr weit vorn eingekeilt und hatte ernsthafte Sorge um meine Füße. Außerdem stand neben mir eine extrem untergewichtige (die Glückliche!) Dame, die sich kurz vor dem Lauf frisch parfümiert und onduliert haben musste. Sie roch, als wohnte sie in dem Laden, in den man hineinkommen und wieder herausfinden soll ("Douglas: Come in and find out!"), und mir wurde schwindlig.

Startschuss. Alles schoss an mir vorbei. Ich blickte auf meinen Pulsmesser und führte einen verzweifelten Dialog mit meinem Kampfschwein. "Okay, ich weiß, Du willst hinterher! Aber wenn Du jetzt ruhig bleibst, überholen wir die alle auf der letzten Runde! Versprochen!" Das war natürlich gelogen, aber Kampfschwein hat mir geglaubt und bis zur 6. Runde die Klappe gehalten.

Irgendwann zwischendrin fand so ein Schnösel, er müsse mir mitten in der Kurve den Weg abschneiden, um etwa eine Zehntelsekunde vor mir zu sein. "Arschloch! Hau ihn um!" schrie das Kampfschwein. "Den kriegen wir noch." erklärte ich. "Auf der Zielgeraden, wenn es ihm am meisten wehtut, dass ein kleinerer und weiblicher Mensch an ihm vorbeirennt und ihm heimlich den Stinkefinger zeigt..."

Bei Runde 2 dachte ich, dass ich mein Übergewicht merke, es aber trotzdem irgendwie sehr nett ist.
Bei Runde 3 dachte ich, dass ich jetzt gern ein Bier hätte.
Bei Runde 4 fand ich, dass es nur zwei schöne Orte gibt: Das Bett und die Massageliege.
Bei Runde 5 hoffte ich, dass ich mich verzählt hätte und aufhören dürfte.
Runde 6 war großartig. Ich bin gerannt, als wären drei Säbelzahntiger hinter mir her. In meinen Ohren dröhnte "Fame", und direkt vor mir war der Schnösel.

Das Ergebnis: 3 Minuten langsamer als letztes Jahr, was meine Übergewichtstheorie beweist, ein Lieblingsex Nr. 2, der mir erklärte, dass ich nur dann ökonomisch laufe, wenn ich renne und ein unglaublich leckeres Veltins (und noch eins und noch eins und noch eins) in der Badewanne.

Geblieben sind drei offene Fragen und eine Entdeckung:

  1. Warum überholt dieser Volltrottel so halsbrecherisch, wenn es doch um nichts geht?
  2. Wie kann ich auch langsam ökonomisch laufen?
  3. Wer nimmt meine überflüssigen 3 Kilo? (Ich lege auch gern eine Tafel Joghurette drauf!)
  4. Der Endorphinausstoß hält zwei Tage.

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