31 Januar 2011

Was denkt er? DENKT er???

Es ist nicht leicht, „danach“ herauszufinden, was er denken könnte. Ein Blick, der unter Umständen als zweifelnd interpretiert werden kann, geschlossene Augen, die Mundwinkel nicht in der Richtung unterwegs, die angesichts eines zufriedenstellenden Beischlafs angebracht wäre. Ist alles in Ordnung? Was denkt er? Warum schaut er Sie so zweifelnd an? Schaut er Sie überhaupt an? Schließt er die Augen, weil er in seiner Phantasie gerade mit Angelina Jolie geschlafen hat und Sie eigentlich gerade nicht sehen will? Findet er Sie zu dick, Ihre Brüste zu klein? (Dass er sie zu groß finden könnte, ist unwahrscheinlich.) Haben Sie möglicherweise irgendetwas falsch, anders, seltsam gemacht? Will er lieber weg? Und wenn er weg will, warum? Vor allem, wohin?

Oder liebt er Sie und ist glücklich mit Ihnen, wagt aber nicht, diese Worte zu benutzen? Sie würden ihn so gern fragen, was er denkt, würden gern wissen, ob seine Augenbewegungen unter den geschlossenen Lidern Ihre Deutung seiner Gedanken bestätigen, nicht wahr? Das geht mir genauso.

Warum bleibt er nicht einfach noch eine Weile liegen? Aber Männer wollen "danach" nicht gern (liegen) bleiben, das kann man überall nachlesen. Oder nachsehen. Bei "Harry und Sally" zum Beispiel.

Ich hingegen hätte gern noch Nähe. Und dann vielleicht noch einmal Sex. Und noch einmal. Würde ich ihn damit überfordern? Darf ich danach fragen, oder verstoße ich damit gegen irgendein ungeschriebenes Gesetz? Interessiert ihn, was meine Augen sagen?

Sieht er meine Augen überhaupt? Will er wissen, wie ich mich fühle?

Ich will wissen, wie er sich fühlt! Warum sagt er es mir nicht? Ich erwarte keine Liebesschwüre. Nicht wirklich. Aber er schaut so, als ob er Wichtiges denkt. Und das will ich wissen. Ich habe ein Recht darauf! Oder nicht? Wie kann ich ihn fragen, was er denkt, ohne ihn zu fragen, was er denkt? Ich weiß ja, daß er das nicht mögen wird.

Fragen Sie einen Mann, was der denkt, und er wird Sie ansehen, als wäre Ihnen auf einmal ein dicker Pickel auf der Nase gewachsen.

Sie mögen das nicht, denn es bedeutet, kommunizieren zu müssen, schlimmer noch, darüber nachzudenken, was oder ob sie gerade denken. Was tun sie also? Sie entziehen sich, wenn es irgendwie möglich ist und geben Ihnen das Gefühl, so „wie die anderen Weiber“ zu sein. Da Sie das auf gar keinen Fall wollen, halten Sie den Mund und hoffen auf ein Wunder – den über seine Gefühle sprechenden Mann.

Endlich - die Erlösung: Er schaut mich an, bedeutungsschwanger, ich höre auf zu atmen, jetzt wird er es mir sagen, jetzt werde ich endlich herausfinden, wie es ihm geht, ob er mich liebt und was er denkt!

"Pass auf: Du machst uns jetzt einen Tee, und ich hänge meine Wäsche auf. Und dann muss ich noch nach dem Motorrad schauen."

Danke! Danke! Danke! Mein Tag ist gerettet! Das also verbarg sich hinter dem nachdenklichen Gesichtsausdruck! Das sind die Gedanken, die er „danach“ hat!
Ich hatte ja auf Erkenntnisgewinn gehofft, bin aber nicht sicher, ob ich diesem unvorhersehbaren männlichen Gefühlsausbruch gewachsen bin. Was soll ich bloß antworten? Erwartet er, dass ich ihn frage, welche Sorte Tee er möchte? Würde er sich freuen, wenn ich ihn frage, nach was genau er bei seinem Motorrad schauen will?

Ich stehe auf und gehe in die Küche, wo ich hingehöre. Außerdem kann ich meine Fragen auch mit dem Wasserkessel besprechen, der ist ähnlich ergiebig wie mein Liebster.

Trotzdem werde ich voraussichtlich auch beim nächsten Mal die Idee haben, dass er denkt oder sogar über das Leben, die Liebe und den ganzen Reste philosophiert. Vielleicht nehme ich dann all meinen Mut zusammen und frage ihn. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mir antwortet, sein Auspuff mache schon seit geraumer Weile Geräusche, das Getriebe müsse ausgewechselt werden, und außerdem müsse er Druckerpatronen bestellen, ist groß.

Sie denken. Möglicherweise. Anders.

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