15 Juli 2011

Play it again, Sam! - Teil I

"Mami!" rief das kleine Mädchen im 5-Sterne-Restaurant des Traumschiffs aufgeregt. "Warum spielt denn der Mann am Klavier nicht?"
Tatsächlich - dieser saß an seinem Flügel, den Blick ins Leere oder Richtung Buffet gerichtet, ohne seinem Arbeitsgerät auch nur einen Ton zu entlocken.
Aber dafür hatten sie bezahlt! Mami hatte nicht umsonst geschuftet wie eine Verrückte; sie hatte sich Buffet, Traumschiff und Pianist verdient.
Sie stand auf, erklärte ihrer Tochter: "Ich werde mal nachsehen, was der Mann macht. Und dann wünsche ich uns ein Lied." Die Tochter nickte begeistert. "Oja, er soll das Sandmännchenlied spielen!"

Mami marschierte zum Flügel. Der Pianist starrte immer noch auf einen ihr unbekannten Punkt. Als sie an seine Seite trat, um ihn an die Verpflichtungen eines Traumschiffpianisten zu erinnern und den Musikwunsch ihrer Tochter anzubringen, sah sie, warum er nicht spielte: Seine Hände lagen auf den Tasten. Nur seine Hände. Sehnen und Knochen lagen offen vor dem Auge der entsetzten Betrachterin; rotes Blut sprenkelte die weißen Tasten. Der Rest von ihm war stocksteif, und in seinem Rücken steckte auf Herzhöhe ein Messer. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt, und wer immer den Musiker vom Leben zum Tode befördert hatte, verfügte über einen gewissen Sinn für dramatische Arrangements und offensichtlich ebenso unbändigen Hass auf Klavierspieler im Allgemeinen oder diesen im Besonderen.

Mami öffnete den Mund und schrie. Lange und laut. Die Tochter beobachtete sie interessiert. "Wann spielt er das Sandmannlied?" fragte sie. "Und warum schreist Du so, Mami?"

Kapitän, Crew und Schiffsarzt eilten herbei, letzterer beruhigte Mami, die anderen begutachteten die Pianistenleiche. "Tscha, der Vogel ist douht!" erklärte der Kapitän in tiefstem Friesisch. Auf Hochdeutsch rief er ins interessierte PUblikum: "Ist ein Kriminalkommissar an Bord?"

Niemand meldete sich.

"Wat nu?" fragte der Kapitän in die Runde.

"Naja, wir laufen den nächsten Hafen an und rufen dort die Polizei.", schlug der 1. Maat vor. "Und natürlich müssen alle Passagiere an Bord bleiben. Der Mörder könnte unter ihnen sein!"

Fortsetzung folgt... ;-)

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