07 Mai 2012

Gewaltfreie Kommunikation funktioniert nicht im Auto

Wussten Sie, dass nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage viele Kinder den Fahrstil ihrer Eltern für bedenklich halten? Und dass viele Eltern ununterbrochen schimpfen, pöbeln und dicht auffahren, obwohl sie ihre Brut hinten sitzen haben?

Das entschuldigt mich. Ich beschäftige mich jetzt seit mehr als 10 Jahren mit allen möglichen Formen von Kommunikation, und wenn es gut gelaufen ist, steigt mit der Anzahl der besuchten Seminare auch der Grad der Wertschätzung für andere Menschen. Das funktioniert bei mir auch in der Regel recht ordentlich, wie Sie ja an meinen vor Wertschätzung insbesondere für die Erzeuger von Miles-Kevin und Marlene nur so strotzenden Beiträgen selbst ermessen können.

Im Auto funktioniert es nicht. Einzige Ausnahme: Ich nehme die Töchter meiner Vermieter mit zur Schule. Dann halte ich die Klappe, denke leise und wenig wertschätzend in mich hinein und murmele höchstens ab und zu (hoffentlich) unhörbar: "Und was soll das jetzt bitte?" Den normalerweise angefügten "Schwachkopf" verkneife ich mir.
Glücklicherweise nehme ich die jungen Damen nicht allzu oft mit.

Vorweg ein paar grundsätzliche Bemerkungen: Wer andere Autofahrer beobachtet, stellt fest, dass da nach Herzenslust in der Nase gebohrt, im Ohr gepuhlt, gegähnt, telefoniert, sichtbar laut mitgesungen oder eben lauthals geschimpft wird. Manche laufen sogar rot an, zum Beispiel der ältere Herr, den ich heute morgen auf der zweispurigen Bundesstraße rechts überholt habe, weil er die linke Spur blockierte. Drei Kilometer weiter, als er an der Ampel direkt hinter mir stand (Ja, okay, das Überholmanöver hat wenig Messbares gebracht! Aber ich habe mich danach einfach besser gefühlt.), war er immer noch puterrot. Geschimpft hat er auch, glaube ich. Glücklicherweise wurde die Ampel dann grün, und ich konnte rasch vor dem links von mir zu langsam anfahrenden SUV einscheren.
Das ist ja auch sowas: Wenn ich so ein Ding hätte, würde ich damit ganz anders umgehen! Da wäre nichts mit Geschnarche an der Ampel oder defensivem Fahren! Wozu kauft man sich schließlich so einen riesigen Benzinfresser, wenn nicht zum Angeben und Angst machen??? Oh nein, ich würde meine Umwelt in Furcht und Schrecken versetzen. Und wehe dem Papa von Miles-Kevin, wenn der mit seiner Kasperkiste nicht ganz schnell von der Straße - zumindst von dem Teil, der meine Weiterfahrt blockiert - verschwindet!

Gern bringe ich mich schon beim Losfahren mit lautem Absingen von "Faster, Harder, Scooter" oder "Survivor" in Stimmung. Durchs Dorf fahre ich aber schön langsam; immerhin könnte mir da ja ein Kätzchen oder freilaufendes Hundchen vors Auto laufen. Oder die netten Nachbarn von weiter vorn mit ihren beiden Chow-Chows.

Aber dann, auf der Kreisstraße, sozusagen weit entfernt vom heimischen Stall, kann ich guten Gewissens loslegen. Da kommt dann schon einmal ein herzhaftes "Du dämliche ..., wo hat denn der Onkel im blauen Kittel das Gaspedal hingebaut???" oder "Warum nimmst Du ... nicht den Bus, wenn Du zum Autofahren zu blöd bist?"
Spätestens bei "No pain, no gain" fahre ich dann schon auch manchmal ein bisschen dichter auf, um dem Vordermenschen zu zeigen, dass hinter ihm eine Planetenbewohnerin ist, die es eilig hat.
Dieses Dichtauffahren kann man dann noch variieren, indem man etwas versetzt fährt, mal rechts, mal links, und dann, wenn man die Aufmerksamkeit der Schnarchtatze vor einem hat, das Ganze durch ein weithin sichtbares Gähnen oder ungeduldiges Trommeln auf dem Lenkrad krönen.

Und das macht so einen Spaß! Ich liebe es, mich aufzuregen, aus Herzenslust zu schimpfen, rechts zu überholen, weil ich das Gymnasiallehrerinnengefährt auf der linken Spur als zähfließenden Verkehr definiere, die beiden Reißverschlüsse an der Ortseinfahrt, an der die gemeinen Landkreisbewohner mit allerschönster Regelmäßigkeit und an jedem Morgen scheitern, mit etwas Schwung zu nehmen, um mich dann bis zur nächsten Kreuzung darüber zu freuen, dass ich diesen doofen, fetten BMW verblasen habe.

Sie finden das kindisch? Bestenfalls vorpubertär? Rücksichtslos? 

Mag sein. Ich halte es da ganz mit Markus, einem klassischen Vertreter der Neuen Deutschen Welle: "Ich will Spaß, ich geb Gas!" hat er seinerzeit gekräht. "Und kost's Benzin auch zwei Mark zehn, Scheißegal, es wird schon gehn!" ging es weiter. Umgerechnet kostet das Benzin jetzt drei Mark vierzig. Aber Spaß will ich immer noch.

Ganz davon abgesehen: Wo sonst kann man in aller Ruhe und unkorrigiert Vorurteile pflegen (Doofe Hausfrauen, blöde Hutträger, Anzugfuzzis mit fettem Auto, Bauch- und Glatzenansatz und schlechtem Sex zuhause, schnarchlangsame Rentner, Korksandalenträger im Diskutierbus - fügen Sie gern Ihre eigenen an!)

Und sobald das Wetter schöner wird, steige ich um aufs Fahrrad - damit kann man auch ganz wunderbar Leute erschrecken, man muss nur laut genug "Wech!!!!" brüllen.

2 Kommentare:

  1. immer wieder toll zu lesen (ja das mit den klammern mag ich auch )

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  2. Danke für die Blumen! Ja, Klammern sind für mich nicht wegdenkbare Zeichen! ;-)

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