09 Dezember 2012

5 Läufe - 2 Wochen

Eines will ich vorwegschicken: In dem Landkreis, in dem ich wohne, haben einige der Ureinwohner so eine putzige Art, alles, was ihnen suspekt erscheint, weil nicht in die kleine Welt des Landkreises passend und über die jahreszeitliche Gartendekoration hinausgehend, mit so einem grenzdebilen Gesichtsausdruck zu betrachten, der sich aus ihren Gesichtern dann gar nicht wieder lösen mag. 
So geschehen bei meinem heutigen Lauf. Eine Läuferin mitten im tiefsten Schneetreiben, die laut schnauft, breit grinst und mit beiden Füßen in Schneewehen springt, ist suspekt. Das Gesicht des Ureinwohners, der mitten in seiner Schneeschippbewegung erstarrte und mich ansah, als wäre ich grün, hätte einen Hut mit Sendeanlage auf und wäre gerade direkt vor ihm aus dem Raumschiff gehüpft, hat mir Tiefschnee und Anstrengung für eine Weile erleichtert. Ich habe noch einen Kilometer später gekichert! Mein herzlicher Dank gilt also dem Herrn mittleren Alters, der am Ortsausgang von Parensen durch mein unverhofftes Auftauchen beim Schneeschippen unterbrochen wurde.

Und wenn ich jetzt schon bei meinem fünften Lauf in zwei Wochen bin... Ich habe nichts gesehen von der Schneelandschaft, sondern war ausschließlich mit einem Gesicht beschäftigt, das vor meinem inneren Auge auftauchte, blieb und jeden Blick für die Umgebung verhinderte. War mit Gedanken beschäftigt, die neu und aufregend und wunderschön sind, natürlich auch viel Angst. Träume ich? Geschieht das wirklich? Ist alles ganz anders, und es ist einfach nur eine durch exzessives Maternustrinken verursachte Psychose, die mich Gefühle fühlen und Menschen umarmen lässt, die es eigentlich überhaupt nicht gibt? 
In diesem Zustand bin ich fast 90 Minuten gelaufen. Nicht gerannt, das ging nicht im Schnee. Ich werde morgen einen mörderischen Muskelkater und Knallwaden haben. Aber ich habe Zeit überbrückt, Zeit, in der ich sonst mein Telefon und meinen PC angeguckt und um Aktion gefleht hätte.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal gelaufen bin, ohne auf Zwischenzeiten und Durchschnittspuls zu achten. Läufer/innen werden verstehen, was für eine bahnbrechende Änderung das ist, alle anderen mögen es mir bitte einfach glauben. Es war mir egal. Ich wollte einfach nur draußen sein, meinen Kopf lüften und ein Bild vor meinem inneren Auge sehen, während ich in der Welt außerhalb meines Kopfes unterwegs bin.
Wirklich: So bin ich noch nie zuvor gelaufen!

Der vierte Lauf: Zu spät wach geworden, weil ich IHN schon im Kopf hatte. Nach ein paar Minuten des inneren Kampfes trotzdem in die bereitgelegten Klamotten gestiegen, die Stirnlampe aufgesetzt und losgelaufen. Kurz vor 7.00 Uhr, stockduster, und die Stirnlampe macht die Welt irgendwie nur zweidimensional. Bin in eine zugefrorene Pfütze getreten, die sich dem Gewicht meines rechten Fußes ergab. Mit pitschnassem rechten Fuß weiter gelaufen. Eigentlich wollte ich nur fünf Kilometer, weil ich ja zu spät aufgestanden war. Aber dann war da rechts von mir ein zartes Rosa an einer Wolke, hinter mir der untergehende Dreiviertelmond und vor mir der Tagesanbruch. Ich konnte einfach nicht aufhören! Und war einmal mehr glücklich und dankbar für meinen Job mit Gleitzeit. (Nicht nur deshalb, aber in diesem Moment besonders.) Und habe die geplanten fünf Kilometer spontan verdoppelt.

Der dritte Lauf: Dienstag früh. Stirnlampe aufgesetzt und gegen 5.00 Uhr losgerannt. Stand im Trainingsplan. Laute Musik im Ohr. Den Wunsch, genug Endorphine für den Tag auszuschütten. Wenige Gedanken an ihn, mehr Ausweichgedanken. Es war ein bisschen nebelig, mir war warm, und ich genoss wie oft am frühen Morgen dieses Gefühl, allein auf der Welt zu sein, nur ich und die Sterne und meine Gedanken und die Musik im iPod. Laufen ist Leben. Jedenfalls für mich.

Der zweite Lauf: Der letzte Sonntag, lange rumgedaddelt, keine Idee an sportliche Aktivität. Mein Lieblingskollege hatte mir geraten, doch einmal nichts zu tun. Nein, eigentlich hatte er mir geraten, mal nicht aus dem Bett zu steigen. Aber das funktioniert nicht, wenn frau "Rücken hat". Allerdings lässt sich ein Tag auch ohne Bett ganz wunderbar verdaddeln. 
Gegen 15.30 Uhr wurde ich unruhig. Mein Läuferinnenherz wollte noch einmal raus. Dringend. Also habe ich mir pro forma die Stirnlampe aufgesetzt (war ja noch hell) und bin losgelaufen. Und das war wieder so unglaublich schön, dass ich viel länger gelaufen bin als geplant und auf den letzten sechs Kilometern sehr dankbar für meine Stirnlampe war.

Der erste Lauf: Abnehmen wollte ich. Will ich schon seit inzwischen fast zwei Jahren. Klappt aber nicht. (Inzwischen klappt es; aber das hat nichts mit Willenskraft zu tun oder einer vernünftigen Ernährung.) Trotzdem absolviere ich unverdrossen alle paar Monate eine so genannte "24-Stunden-Diät", die sich aus einem echt irre fiesen Trainingsprogramm und der Zufuhr von maximal 800 Kalorien zusammensetzt. Deswegen macht frau sie auch nur höchstens einmal pro Woche. Ich plane sie eigentlich einmal pro Monat. Eigentlich. Aber ich hatte ja schon erwähnt, dass mein zweiter Name "Inkonsequenz" ist?
Der erste Lauf war der 24-Stunden-Diät-Lauf und hat all meine Willenskraft gefordert: 15 Minuten langsam, dann 5 Minuten schnell, dann ein übelfieses Intervall. Dann nochmal langsam. Ich war nur mit mir beschäftigt bei diesem Lauf. Und damit, nicht einfach auf offener Strecke zusammen zu brechen.
Das fühlte sich absolut großartig an! Ich muss einfach Grenzen finden und darüber hinausgehen. Bin irgendwie genetisch so angelegt, glaube ich. Vielleicht ist es auch der Frontlappen. 
Auch das werden Nicht-Sportler/innen nicht verstehen. Ist mir aber auch egal. Ich verstehe ja auch nicht, wie jemand sich nicht gern bewegen mag, in welcher Form auch immer.

Gerade denke ich, dass ich masturbiere. Worttechnisch gesehen. Es wird nicht allzu viele Leser/innen geben, die sich für meine Läufe interessieren. Meine besten Freund/innen haben ja nicht verstanden, was es für mich bedeutet hat, nicht laufen zu können!

Egal. Auch da dürfen Sie jetzt durch. Aber Sie müssen nicht. Und es gibt ja glücklicherweise immer noch die Möglichkeit, etwas anderes zu lesen, was mit Sport so gar und überhaupt nichts zu tun hat. Die Fanseite des FC Bayern München zum Beispiel. (Würg. Kotz. Spei. Sehr alte Tomaten werf. Off Topic.)

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