25 August 2014

Räuber und Trickbetrüger

Eigentlich behauptet der Herr Schmitt ja von sich, blind zu sein. Er schnüffelt sich höchst vorsichtig die Treppe hinunter, kollidiert auch gern einmal mit marodierenden Stromverteilerkästen oder scheißt versehentlich unter eine Parkbank, weil er sie für ein Gebüsch hält. Er rennt mit demjenigen mit, der am stärksten riecht (das vermute ich zumindest), und wenn man den kapitalen Fehler macht, ihn von der Leine zu lassen, ist er quasi uneinholbar - und grundsätzlich in die falsche Richtung unterwegs.

Im Vertrauen darauf, dass diese Blindheit ein dauerhafter Zustand und Herr Schmitt außerdem gut erzogen ist, begab ich mich gestern Nachmittag, gemeinsam mit einem Teller frisch zubereiteter Schnittchen und leichter Lektüre auf die sonntägliche Couch.  

Kaum hatte ich mich gesetzt, schoss ein schwarzbrauner, ca. 30 cm niedriger Blitz aus einer dunklen Ecke hervor, schnappte nach einem überstehenden Stück Schinken und atmete den größten Teil davon innerhalb von Sekundenbruchteilen ein.

Keine Minute später - ich starrte immer noch entgeistert auf mein leeres Schnittchen - lag er mir zu Füßen, schenkte mir den typischen Schmitt-Blick und kaute dreist weiter, im Mundwinkel noch immer einen Streifen des Schinkens. Glauben Sie mir, da war nicht der Hauch eines schlechten Gewissens und keine Spur von jahrelanger Erziehung ("Nein, der Hund bekommt nie vom Tisch!!!") . Ganz im Gegenteil: In dem Moment, in dem Herr Schmitt den letzten Bissen verschlungen hatte, vergaß er, wie es dazu gekommen war, dass er überhaupt Mundraub begangen hatte und schnüffelte gierig in Richtung Salamischnittchen.

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