29 März 2015

Schmitts kleine Tierfibel: Der nordhessische Brüllaffe

Der nordhessische Brüllaffe ist männlich, verfügt über eine laute Stimme, die er gern und oft einsetzt und tritt immer mindestens zu zweit auf. Im Gegensatz zu anderen Tieren erkennt man ihn nicht an seiner Gestalt. Sein Äußeres wechselt je nach Alter und Ort des Vorkommens: Befindet er sich z.B. im Supermarkt, wird er in der Regel Freizeitkleidung (ausgebeulte Jogginghose oder tiefergelegte Jeans) tragen, in freier Wildbahn (Fußgängerzonen, Gaststätten, am Arbeitsplatz) ist er optisch kaum auszumachen.
Manche Vertreter findet man in der öffentlichen Sauna. Dort tragen sie Handtuch, manchmal ein Saunahütchen, häufig einen Bauchpelz.

Einige Exemplare riechen sehr stark. Da dies aber auch auf andere Vertreter der Tierwelt zutrifft, kann man den nordhessischen Brüllaffen nur anhand seines Körpergeruchs nicht identifizieren.

Der nordhessische Brüllaffe redet laut, nahezu unausgesetzt und in der Regel über etwas, das die durch seine Lautstärke penetrierte Umwelt nicht interessiert. Dass philosophische oder wissenschaftliche Fragen erörtert wurden, hat man noch nicht belauschen können; eher wird es sich - je nach Alter des betreffenden Exemplars - um Bierkonsum, PS-Stärken oder Prostatabeschwerden handeln. Letztere sind einer der wenigen Fälle, in denen es auch dem nordhessischen Brüllaffen gelingt, die Stimme etwas zu senken.

Allein gelassen wirkt er scheu und ruhig und ist eher unauffällig. Das ändert sich schlagartig, sobald ein Artgenosse sich nähert. 

Ich durfte heute in der Sauna zwei ältere Exemplare belauschen und bei dieser Gelegenheit feststellen, dass sie es besonders lieben, in einen stillen Raum hinein zu brüllen.

Bedauerlicherweise ist der nordhessische Brüllaffe noch nicht zum Abschuss freigegeben; es scheint, als sollte diese gar nicht so seltene Tierart aus unerfindlichen Gründen geschützt werden. 

Da die ruhebedürftigen Intelligenzbestien bisher noch keine Lobby unter den Tierschützern gefunden haben, rufe ich hiermit die Verantwortlichen eindringlich dazu auf, zunächst die deutsche Saunalandschaft vom nordhessischen Brüllaffen zu befreien. Man muss sie ja nicht gleich töten; es wäre vollkommen ausreichend, sie einzufangen und umzusiedeln. Ich habe gehört, in Dresden sei noch viel Platz für brüllende Affen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen