01 Januar 2018

Als die Bienen die Erde verließen

Vor langer Zeit lebten auf der Erde unzählige Bienenvölker. Die flogen munter umher, sammelten Nektar und bestäubten Blüten, auf dass die Menschen Früchte und Honig bekämen. Die Bienen waren sicher, dass sie mit den Menschen in einer friedvollen Gemeinschaft lebten, weil die sie und ihre fleißige Arbeit ja brauchten.
Eines Tages jedoch erfand ein großer Konzern ein Pflanzenschutzmittel. Das wurde sofort probehalber eingesetzt. Scharen von Insekten siechten dahin, weil sie auf den Feldern keine Nahrung mehr fanden, und auch vielen Bienenvölkern ging es an den Kragen. Die wenigen Menschen, die sich darum kümmerten, sprachen vom "großen Bienensterben" und warnten vor dem Gift auf den Feldern.

Dann wurde die Wirkung des Pflanzenschutzmittels noch einmal überdacht. Die Bienen schöpften Hoffnung. Vielleicht gab es unter den Menschen doch noch ein paar vernünftige, denen das Leben der Insekten wichtig war und die versuchen wollten, die Erde und ihre Bewohner, gleich welcher Größe, zu retten.

Doch nein. Ein neuer Landwirtschaftsminister startete einen Alleingang. Er erlaubte den Einsatz des Pflanzenschutzmittels. Seine Wissenschaftler hatten ihm die Ungefährlichkeit bestätigt und waren dafür mit vollen Briefumschlägen nach Hause zurückgekehrt.

Da hatten die meisten Bienenvölker genug. Sie sammelten sich, obwohl schon der Herbst nahte und es eigentlich zu kalt wurde, um auszufliegen, nahmen ihre Bienenstöcke mit vereinten Kräften, jedes Volk seinen eigenen Stock, und flogen fort, um ein Land zu suchen, in dem die Natur noch unberührt war und in dem sie überleben konnten; einem Land mit Bewohnern, die ihren Wert zu schätzen wüssten.

Die Bienen hatten schwer zu tragen an ihren Stöcken. Das sah die Erdengöttin. Und sie half. Sie breitete ihren Mantel aus, holte die anderen Naturgottheiten dazu, und sie trugen gemeinsam die Bienen ein fernes Land, weit hinter dem Horizont. 

Frühling, Blumen, Wiese, Buttercup Dort lebten die Bienenvölker glücklich und zufrieden, sammelten Nektar und bestäubten Blüten. Menschen gab es dort keine, und sie fehlten auch nicht.
Nur ein kleines Völklein war auf der Erde übriggeblieben. Sie mochten ihren Stock nicht forttragen, und sie glaubten noch immer daran, dass die Menschheit in der Lage sei, Vernunft zu entwickeln und sie doch noch wertzuschätzen. Sie beschlossen zu bleiben und den Menschen noch eine Chance zu geben. 

Die Bienen sind fort...

Doch als der Imker am Ende eines nicht einmal besonders harten Winters zu diesem Bienenstock kam und ihn öffnete, fand er alle Bienen tot. Was auch immer es war, das sie dahingerafft hatte - es hatte die letzten erwischt.

Fortan war die Menschheit gezwungen, die Chemikalien zu essen, mit denen sie ihre Felder hatten schützen wollen - denn die lagen nun für immer brach. Welt, Karte, Pille, Erde

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