03 August 2008

Gewittergrollen

Letzte Woche gab es ein heftiges Gewitter. Klärend schien es mir. Blitze zuckten über den Himmel, es donnerte so laut, dass ich das Gefühl hatte, die Bässe brächten das Haus zum Wanken. Alles, was eben noch blau, sonnig und heiss war, schien jetzt dunkel, kühl, nass, grau. Später dann wurde es im Nordwesten langsam heller.

Warum heißt es eigentlich, ein Gewitter bedeute "Klärung"? Zunächst bringt es doch Verdunkelung. Erst, wenn alles vorbei ist, das Grollen, die Gefahr, die heftigen Regengüsse, ist die Frische der Luft wahrnehmbar, scheint die Umgebung frisch gewaschen.

Gewitter schreiben Geschichten. Manche bleiben haften.

Vor vielen Jahren durfte ich mit zwei Freunden eines in Portugal miterleben. Einer der beiden war in meiner Welt ein Mensch, den nichts erschrecken würde oder konnte, er war laut, manchmal schrill, cholerisch, aggressiv. Ich hatte meinen Wagen in den Dünen geparkt, und wir waren schwimmen gewesen, als sich der Himmel schlagartig verdunkelte. Ich fand dieses Naturschauspiel spannend, doch (nennen wir ihn) M. fühlte sich sichtlich unwohl. "Lass uns ins Auto gehen." schlug er vor. Er klang drängend.
Wir verließen den Strand und setzten uns in meinen Wagen, einen recht großen, alten Mercedes, der genügend Platz für drei Personen bot. Es wurde noch dunkler, erste Blitze zuckten über den Himmel. Eigentlich wollte ich gern die Wagenfenster öffnen, besser noch die Türen, M. jedoch erklärte im Brustton der Überzeugung, dass der Faradaysche Käfig nur geschlossen funktionieren würde. Beim ersten tiefen Donnergrollen zuckte er zusammen, quetschte meinen Arm und erklärte: "Wenn Du das irgendjemandem erzählst, bringe ich Dich um!" M. hatte Angst vor Gewitter! Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ein so tatendurstiger, abenteuerlustiger und unkonventioneller Mensch sich vor der Natur fürchten könnte!
Trotz M.s Angst war es ein wunderschönes Erlebnis: Ein menschenleerer Strand, tobende Naturgewalten, der Himmel immer wieder taghell erleuchtet. Trotzdem Sicherheit. Vielleicht nur gefühlt.

Ein anderer Ort. Eine andere Zeit. Kreta. Herbst 2005. Ich hatte eine Entscheidung zu treffen. Habe dort eine Menge interessanter Menschen getroffen, die mich beeinflusst haben, ohne es zu wissen oder zu wollen. Zwei davon waren Vater und Sohn, der eine ein Seher, der andere ein Kind, das noch dicht an seinen Wurzeln agierte. Wir gerieten in ein Gewitter, während wir wanderten. Fanden Zuflucht in einem Restaurant auf einer Klippe über Komos Beach (für Kreta-KennerInnen: Mystical View). Das Gewitter tobte los, der Himmel wurde schwarz, es regnete wie aus Kübeln, blitzte, donnerte, innerhalb kürzester Zeit war das Sonnendach des Restaurants literschwer vom Wasser.
Doch auf einmal, direkt unter uns, als hätte ein Engel einen Vorhang geöffnet, schien ein Hauch von Sonne durch das Schwarz, und das dunkle Meer, das wir von unserem Aussichtspunkt erkennen konnten, wurde an dieser Stelle hellgrün. Es war nur dieser eine Strahl, aber er ließ die Göttlichkeit, die auf dieser Insel allgegenwärtig ist, erahnen. Ich hielt Lucas Hand (so hieß der kleine Junge), und wir staunten. Waren gleichen Alters in diesem Moment.

Solche Gewitter helfen bei Entscheidungen, denn sie zeigen, wie klein wir sind, helfen uns, die Verhältnisse zu erkennen und damit unsere eigene Welt als das was sie ist: Ein Nichts im Universum, eine Eintagsfliege im Lauf der Zeit.

Was bleibt, ist Dankbarkeit.

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