"Eigentlich" ist für mich eines der wichtigsten Wörter der deutschen Sprache und spielt in einer Liga mit "Aber", "Vielleicht", "Möglicherweise" und den mir sehr sympathischen Konjunktiven.
Ein Vorsatz klänge so entschieden, wenn ich das Wort "Eigentlich" nicht einbauen würde! Dann müsste ich möglicherweise sofort tätig werden. Ein Beispiel:
"Heute fange ich die Steuererklärung an." Wenn ich das dem besten Eheman von allen ankündige, bekommt er wahrscheinlich Angst. Wenn ihn aber mit den Worten "Eigentlich will ich heute die Steuererklärung anfangen." verabschiede, kann er sich sicher sein, dass er mich zuhause so vorfindet, wie er mich verlassen hat: Zufrieden und arbeitslos. Er muss nicht damit rechnen, dass ich schlechtgelaunt bin, weil ich mal wieder etwas nicht getan habe. Nein, mit "Eigentlich" habe ich mir ein Hintertürchen von Scheunentorgröße offengelassen. Ich muss nichts tun. Ich könnte, wenn ich irgendwie die Zeit fände und mir nichts Wichtiges dazwischenkommt. Aber vielleicht halte ich auch einfach die Füße still.
Oder wie wäre es hiermit: "Bis zum kalendarischen Frühlingsanfang am 21. März dieses Jahres passe ich wieder in meine Lieblingsjeans Größe 38." Dieser Satz macht Stress. Dieser Satz verlangt eine Strategie. Dieser Satz will Opfer sehen. Dieser Satz hat etwas Diktatorisches, und ich kann förmlich hören, wie es in vier Wochen heißt: "Scheiß auf den Frühling! Scheiß auf eine gute Figur! Scheiß auf Sport! Die Erde ist ein Jammertal, das Leben ist ein Graus, und ich bin eine fette Sau!"
Versuchen Sie es doch besser so: "Eigentlich will ich bis zum Frühling etwas abnehmen." Dann können Sie nämlich auch drei Gramm abnehmen. Oder Wäsche. Dieser Satz ist freundlich, verlangt keine Anstrengung, keinerlei Konsequenz. Dieser Satz hat Sie richtig lieb.
Eigentlich würde ich mir jetzt wünschen, dass Sie versuchen, bis morgen noch ein paar Sätze mit "Eigentlich" zu bilden.
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