22 Juli 2017

Auch prekär aussehende Menschen mittleren Alters fahren teure Autos - langsam.

Vor mir her fährt ein neuerer Mercedes ML. Mercedes-Benz, Auto, Mercedes, Benz Langsam. Recht langsam. 80 km/h sind erlaubt, mein eigener Tacho sagt mir, dass wir mit knappen 75 km/h unterwegs sind.
Ich denke mir: "Naja, das ist wahrscheinlich ein älterer Herr, der sich das gute Stück wegen des hohen Einstiegs gekauft hat. Die einen kaufen einen Touareg, dieser hier eben einen anderen SUV. Es ist ein deutsches Auto, das haben ältere Menschen gern wegen Zuverlässigkeit und weil man die heimische Wirtschaft unterstützt. Ein Mercedes zeigt außerdem, dass man Geld hat. Zumindest war das früher einmal so."
"Dieses Auto ist breit, wir befinden uns auf einer Baustelle, da hat man ja auch schon einmal Angst, dass die Fahrspuren zu schmal angelegt sein könnten und fährt lieber etwas langsamer. Außerdem hat man dann im Notfall etwas zuzusetzen." erzähle ich mir weiter.

Als ich näher dran bin, kann ich erkennen, dass dieser spezielle SUV von AMG getuned wurde. Für diejenigen unter Ihnen, denen das kein Begriff ist: AMG ist die High-Performance-Marke von Mercedes-Benz und produziert die leistungsstärksten Serienmodelle, die der Konzern zu bieten hat. Mercedes, Fahrzeug, Auto, Automobil Ich frage mich noch einmal, ob das wirklich ein älterer Herr ist. Dann sage ich mir (ich spreche gern mit mir, wenn ich im Auto unterwegs bin): "Naja, zweiter Frühling, früher vielleicht Vertreter gewesen, will sich an die guten, alten Zeiten erinnern, kann aber nicht mehr so, wie er will..." Ich kann ihn ja nicht sehen. Also bleibe ich zunächst bei meiner Theorie.

Dann, die Geschwindigkeitsbegrenzung wird aufgehoben, röhrt und sprotzt es und weg ist er. Ein bisschen weg. Er hat von 75 km/h auf 90 km/h beschleunigt, aber das tat er laut und sehr energisch.

Dann, an der nächsten Ampel, stelle ich mich neben ihn und bekomme die Gelegenheit, einen Blick in den Fahrgastraum zu werfen. Auf der Fahrerseite sitzt ein kugeliges Männlein unbestimmbaren Alters mit einem kugeligen, kahlen Köpflein, neben ihm befindet sich eine Dame in mittleren Jahren und sieht ein bisschen aus wie eine frisch ausgepresste Zitrone. Beide rauchen. 

Ich diskutiere weiter mit mir: "So, wie die aussehen, gehören die doch in eine Sozialwohnung und nicht in dieses Auto! Wo haben die den Mercedes her?" Verstehen Sie mich nicht falsch, als Mensch von großer Ausgeglichenheit und ohne jedes Gefühl von Neid gönne ich ihnen ihren Mercedes von Herzen. Ich will ihn auch gar nicht; in meinem Sprinter sitze ich viel höher und habe solche Angeberkisten auch gar nicht nötig.


Dann wird die Ampel wieder grün, es röhrt und sprotzt und pfeift und weg ist er - und ich werde nie herausfinden, wie er in den AMG gekommen ist und warum.




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