Mein
Heimatstädtchen hat eine liebenswerte Verkehrsführung: Irgendwann wurde
eine Hauptzufahrtsstraße zur Fußgängerzone erklärt, und darum wölltert
sich der Verkehr seitdem immer um die Innenstadt herum. Ein
ausgeklügeltes System von Einbahnstraßen
trägt zur Verwirrung ortsunkundiger Fahrer bei und führt bei den
Ureinwohnern dazu, dass die mit dem Auto zurückgelegten Strecken ein
Vielfaches der Fußwege betragen.
Aber wer will schon zu Fuß gehen, wenn man sich doch in konzentrischen
Kreisen und mittels Verbrennungs- oder Dieselmotor seinem Ziel in der
Fußgängerzone nähern kann? Übrigens
habe ich erst kürzlich einen Herrn mittleren Alters beobachtet, der
seinen SUV vor dem Rathaus abstellte, das Navigationsgerät herausriss
und schluchzend darauf herumtrampelte. Was wohl aus ihm geworden sein
mag? Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die nur der betreffende
Herr selbst erzählen könnte.
Auf
meinen morgendlichen Fahrten bewege ich mich ebenfalls immer um die
Fußgängerzone herum und lege dabei die gleiche Strecke mehrfach zurück.
Gestern früh traf ich dabei auf einen etwas verwirrt wirkenden
männlichen Menschen auf einem Fahrrad, der wilde, für mich nicht
interpretierbare Handzeichen gab, sich aber nicht in die Richtung
bewegte, in die er zeigte. Ich machte sicherheitshalber einen großen
Bogen um ihn herum. Das quittierte er damit, dass er abrupt am
Straßenrand der - befahrbaren - Hauptstraße stehenblieb und mir einen
Vogel zeigte.
Ich
ließ ihn links liegen und fragte mich, was ich falsch gemacht haben
könnte. War ich rücksichtslos ihm gegenüber gewesen? Zu nah an ihm
vorbeigefahren?
Eine
Viertelstunde später kam ich an der gleichen Stelle erneut vorbei. Der
Radfahrer stand immer noch an seinem Platz und hätte den Verkehr
behindert, wenn es außer mir schon welchen gegeben hätte.
Ich
beruhigte mich und befand, dass eventuelle Gründe für den gezeigten
Vogel nicht in meinem Verhalten, sondern in der Person des Radfahrers
liegen mussten. Vielleicht war der arme Mensch ortsfremd und hatte sich
im Schilderwald
meines Heimatstädtchens hoffnungslos verirrt. Vielleicht wollte er mit
der Geste zeigen, was er von der Verkehrsführung rund um die Innenstadt
hielt, und ich war zu dieser Uhrzeit die einzige Person, die ihm zusah.
Aber vielleicht war auch alles ganz anders, es handelte sich um den
Stadtdeppen, der so etwas immer mal wieder tut, und man sollte seinem
Tun keine allzu große Bedeutung beimessen.
Ich jedenfalls fuhr weiter, immer im Kreis um die Innenstadt herum. Wem hätte ich auch einen Vogel zeigen sollen? Außer dem Radfahrer war ja noch niemand unterwegs.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen