Gestern kamen mir beim Laufen zwei Damen entgegen, beide mit Nordic-Walking-Stöckern bewaffnet. Ich hatte mir ja eigentlich vorgenommen, nicht mehr zu grüßen, beschloss aber, dass ich heute ausnehmend gute Laune und Manieren haben wolle, lächelte, wünschte freundlich einen "Guten Tag!" und erntete von beiden Damen teils ungläubige, teils unfreundliche Blicke. Eine machte eine Bewegung mit dem Kopf, die man mit sehr viel gutem Willen als Nicken hätte interpretieren können. Dann war ich auch schon an ihnen vorbei, und sie klapperten, für mich glücklicherweise nicht hörbar, weiter.
Diese Begegnung hat mich für die nächsten vier Kilometer beschäftigt. Man trifft sie ja noch
immer, diese meist in Gruppen auftretenden Stöckchenzieher, auch wenn der Trend etwas abgeflaut ist. Nordic Walking gehört zwar inzwischen zum sportlichen Angebot jeder ordentlichen Reha-Einrichtung, wird von Menschen aller Altersgruppen vollführt und befindet sich regelmäßig im Sonderangebot der Discounter, aber der Gipfel scheint überschritten.
Haben diese Stöckchenzieher deswegen mehrheitlich diesen mürrischen Gesichtsausdruck? Sind sie erbost darüber, dass sie inzwischen zum Straßenbild dazugehören und keine Beachtung mehr finden? Liegt es daran, dass diese Form der Bewegung doch ein gehöriges Maß an Koordination erfordert und den durchschnittlich unsportlichen Menschen überfordert? Müssen die sich so darauf konzentrieren, nicht über ihre Stöcker zu fallen und gucken deshalb so streng? Sind sie neidisch auf die vorbeihuschenden Läufer, die so ganz ohne Hilfsmittel und viel schneller unterwegs sind? Oder ist alles ganz anders, und unter den Stöckchenziehern befindet sich einfach eine Mehrheit grundsätzlich unhöflicher Menschen. Es ist ja bekannt, dass bestimmte Sportarten auch bestimmte Charaktere anziehen; vielleicht treffen beim Nordic Walking die Griesgrame aufeinander.
Die beiden unhöflichen und mürrischen Damen waren wahrscheinlich längst zuhause, als ich meine Betrachtungen ohne Ergebnis abschloss. Glücklicherweise wurde ich kurz darauf von einem dieser rücksichtslosen und viel zu schnellen Rennradfahrer mit viel zu wenig Abstand überholt, habe mich fürchterlich erschreckt und konnte mich gedanklich einem neuen Thema zuwenden.
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