Damals,
als alles noch analog war, Politiker sich erschossen haben, wenn sie
auch nur in den Verdacht kamen, korrupt zu sein, als die Menschen im
Dunkeln Kerzen anzündeten, im Hellen arbeiteten und überhaupt wussten,
was wann zu tun ist, weil Tradition und Jahreszeit es vorgaben, kurz:
Damals, als die Erde noch kein Jammertal war und das Leben noch kein
Graus, gab es auch schon Adventsbeleuchtung. Kerzen. Vier Stück, von
denen an jedem Adventssonntag eine mehr angezündet werden durfte. Das
führte zu riesiger Vorfreude und gemütlicher Stimmung.
Später kamen elektrische Lichter hinzu. Dann stellte man ein bis zwei dieser Pyramidenleuchter in ein bis zwei Fenster und steckte elektrische Kerzen an einen Baum im Vorgarten.
Es gab ein paar wenige Straßenzüge mit bunter Beleuchtung. Dort wohnten die Asozialen, die ihre Stütze für ein paar Wochen in die Finanzierung ihrer wahnwitzigen Weihnachtsbeleuchtung steckten.
Heute gibt es LED. Es gibt Licht in den unterschiedlichsten Farben; von manchen wird man blind, wenn man direkt hineinsieht. Es gibt Lichterschlangen, beleuchtete Rentiere, Rehlein und Schlitten, in den Fenstern flackert es wie weiland in der Disco die Tanzflächenbeleuchtung, und an jedem dritten Haus kriecht ein putziger Weihnachtsmann an der Regenrinne hoch, hängt vom Dachfenster herab oder sitzt rittlings auf einem der leuchtenden Rentiere.
Die Geschäfte rüsten lichttechnisch auf, die örtliche Sparkasse lässt es nicht beim beleuchteten Baum bewenden, sondern hängt eine ganze Lichtergardine über ihre Fassade, Großstädte wetteifern mit dem größten Baum auf dem Weihnachtsmarkt und den am schönsten geschmückten Betonpollern. So hat Frankfurt eine 124-jährige Tanne gefällt, damit sie von Glühweinleichen bestaunt werden und später teuer entsorgt werden kann.
Und überall laufen die Menschen mit glücklichem Lächeln durch die Gegend und freuen sich über die Vorweihnachtszeit.
Alle Menschen? Nein, eigentlich nur einer. Der ist allerdings nicht verdächtig, jemals verdrossen geschaut zu haben, sondern ist sozusagen das Glück und die gute Laune auf Füßen. Er heißt Richard und ist der Stadtneurotiker. Ich beneide ihn. Bei ihm ist immer Weihnachten. Ohne Licht.
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