07 Juni 2008

Die Widmung

Heute habe ich in meinem Liegestuhl auf dem Balkon fläzend und mich sehr entspannt fühlend einen Thriller angefangen zu lesen. Die Autorin heisst Karen Rose, ihr Buch "Todesschrei", und in ihrer Danksagung zu Beginn schreibt sie:
Gewidmet (...) Und wie immer meinem geliebten Mann Martin. Jeden Tag bereicherst Du das Dasein Deiner Schüler, indem Du die Geschichte mit Deiner einzigartigen Kombination von Leidenschaft, Klugheit und beißendem Witz zum Leben erweckst. Ihretwegen habe ich mich vor fünfundzwanzig Jahren in Dich verliebt. Ob Du Dich nun als Kleopatra verkleidest, die Unabhängigkeitserklärung mit Hilfe von 80er-Jahre-Rockvideos demonstrierst (...) Du inspirierst mich. Ich liebe Dich.
Ich war berührt, und ich habe die eine oder andere Träne aus meinen Augen verabschiedet. Da schreibt jemand ein Buch und macht im Vorwort dem Partner eine Liebeserklärung. Eine Liebeserklärung, die voller Humor, Wertschätzung und Liebe ist. Eine Liebeserklärung, die auch nach 25 Jahren des Zusammenlebens noch immer von tiefen Gefühlen zeugt.

Es gab einmal eine Zeit, da hätte ich eine ähnliche Liebeserklärung gemacht, wenn ich den Mut gefunden hätte, mein Buch zuende zu schreiben, an einen Verlag zu schicken und die Erlaubnis erhalten hätte, es jemandem zu widmen. Ich hätte von gemeinsamem Lachen geschrieben, von wortlosem Verständnis, von Unkonventionalität und dem festen, gegenseitigen Glauben aneinander. Ich hätte Mut haben müssen. Das ist lange her. Der Roman ist fertig, zwar noch ohne Verlag (aber das wird kommen), und er ist Frauen gewidmet, die ich (noch) nicht kenne. Auch diese Widmung ist voller Liebe und Wertschätzung:

Was will Anna?

Anna fasst in Worte, was viele Frauen im Herzen und in der Seele haben.

Anna tut, was viele Frauen heimlich tun.

Anna mordet, wo viele Frauen morden wollten.

Anna tötet sich selbst, wo andere Frauen glauben, an ihren Depressionen zu ersticken.

Anna ist eine Frau, die eigentlich ist wie wir alle: Eine Frau, die sich nicht traut, „Nein!“ zu sagen, eine Frau, die in einer Patchwork-Familie aufgewachsen ist und in einer Single-Wohnung lebt, eine Frau mit einem ganz normalen Lebenslauf.

Trotzdem ist Annas Leben eskaliert. Sie wurde zur Mörderin und hat sich am Ende selbst getötet.

Anna will keine leichte Kost sein, Anna will aus der Seele sprechen.

Anna will, dass Sie dies alles lesen, die Augen schließen und sagen: „Ja! Ich kann Dich fühlen, ich kann Dich sehen, und ich kann verstehen, warum Du getan hast, was Du getan hast!“

Die Männer in Annas Leben könnten ebenso gut die Männer im Leben jeder anderen Frau sein. Das, was in Annas Leben geschieht, erleben die meisten Frauen einmal, mehrmals, immer wieder in ihrem eigenen Leben.

Ich habe Anna geschrieben, weil ich zutiefst verletzt war, weil ich mich selbst misshandelt hatte und weil ich mich möglicherweise ohne dieses Ventil selbst getötet hätte. Vielleicht wäre ich auch ebenso verrückt geworden wie sie, und vielleicht hätte ich auch die Männer in meinem Leben getötet.

Ich habe es nicht getan. Ich habe stattdessen einen Roman geschrieben. Ich wünsche mir, dass Sie an Annas Schicksal teilhaben. Ich wünsche mir, dass Sie Verständnis für Anna aufbringen werden und damit auch für sich selbst.

Ich würde mich freuen, wenn Sie das Buch am Ende zuklappen und sagen: „Ja, Anna spricht mir aus der Seele!“


Auch das ist eine schöne Widmung, wie ich finde, und trotzdem macht es mich ein wenig traurig, dass ich etwas Ähnliches wie Karen Rose nicht schreiben kann. Wie muss es sein, einen Menschen an der Seite zu haben, immer, einen Menschen, mit dem man lachen, fröhlich sein, leben kann, einen Menschen, in dessen Liebe man sich sicher fühlt; so sicher es eben geht, einen Menschen, der möglicherweise sogar Gedanken lesen kann und will, der seine Bedürfnisse auch einmal zurückstellt, um sein Gegenüber glücklich zu machen, einen Menschen, dem man nach 25 Jahren solch eine Widmung schreiben kann?

Ich wünsche Karen Rose von ganzem Herzen, dass ihre Widmung kein leeres PR-Geschwafel ist nach dem Motto "Und ruf mich unbedingt an!", sondern dass sie ihren Mann wirklich liebt.


1 Kommentar:

  1. Du hast sehr viel an Deiner Seite, und Du hast Dich. Was willst Du mehr ?

    Die Widmung ist wirklich schön.

    Wo wir gerade beim Tod und töten sind. Du hattest oft Grund zu töten, aber niemals Dich selbst. Nachdem Du jetzt einige Wochen, fast Monate, ncht über Mord, Hass, Selbstmord usw. geschrieben hast, war ich geneigt zu glauben, daß es im Moment gerade läuft. Habe ich ich geirrt ?

    Ich hoffe nicht.

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