Vor Scheherazade oder besser ihrem inneren Auge liegen drei Dinge, und es ist ihre Aufgabe, diese zu einer Geschichte zusammenzufügen. Die Geschichte ist wichtig, denn sie ist der Schlüssel zur Veränderung. Scheherazade darf nicht so schnell sein, wie sie es sonst immer ist, nein, dieses Mal muss sie denken, bevor sie redet oder tut. Denn wenn sie nicht denkt, sich nicht in den Sultan, ihren Zuhörer, hineinfühlt, verletzt sie ihn und damit sich selbst.
Früher ging es für Scheherazade nur darum, zu überleben, indem sie Geschichten erzählte, eine nach der anderen, in 1001 Nacht. Sie hat diese Aufgabe gut gelöst, denn sie lebt. Wären ihre Geschichten nicht gut gewesen, hätte man sie geköpft.
Heute jedoch geht es ihr nicht mehr nur um sich selbst und ihr eigenes Überleben, denn sie hat sich in den Sultan verliebt und ihre Angst mehr, getötet zu werden, ist vor dieser Liebe in den Hintergrund getreten. Auch ist sie zu oft gestorben in diesen 1001 Nächten.
Heute will sie eine Geschichte erzählen, die Mut macht, die Freude schenkt und ein Lächeln ins Gesicht zaubert, und sie weiss, dass sie vor einer sehr großen Aufgabe steht. Versagt sie, wird der Sultan sich in Luft auflösen und sie allein in einem leeren Palast zurücklassen. Lügt sie, wird sie das Vertrauen, das er in ihre Fähigkeiten setzt, für alle Zeiten enttäuschen.
Die Inhalte, über die Scheherazade erzählen wird, hat sie selbst gefunden, allerdings wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, sie nebeneinander zu legen.
Es sind ein silberner Anhänger in Form eines Halbmondes, eine Flasche Wein und ein leeres Buch. Sie alle haben ihre eigene Geschichte, doch einzig wichtig ist das, was sie gemeinsam haben.
Es ist heller Nachmittag, doch in Scheherazades Welt herrscht tiefste Nacht. Zeit für Geschichten.
Und alle Geschichten beginnen mit "Es war einmal..."
Es war einmal eine Frau in mittleren Jahren, wie man sagt, wenn Frauen die Vierzig überschritten haben. Sie selbst hätte sich niemals so bezeichnet, auch wenn sie sich zuweilen sehr, sehr alt fühlte. Diese Frau reiste eines Tages auf eine Insel, um sich und ihre Gefühle neu zu ordnen. Sie hatte ein Jahr der Traurigkeit, der Kämpfe, der Niederlagen und der Enttäuschungen hinter sich, und sie war bereit, eine Entscheidung zu treffen, die ihr Leben in neue Bahnen lenken sollte.
Sie betrat die Insel, fühlte die feuchte, heisse Luft auf ihrer Haut, schmeckte Wärme, sah dieses ganz besondere Licht, von dem sie sicher war, dass es nur auf dieser einen Insel für das menschliche Auge sichtbar wurde. Sie wusste, dass sie sich auf einer Zauberinsel befand, und sie wollte sich einmal mehr verzaubern lassen. Unerlässlich für einen guten Zauber ist ein guter Wein, das wissen alle, die jemals gezaubert haben. Also trank sie, und sie trank mehr, als ihr gut tat. Die Insel verzieh ihr. Die Menschen, auf die sie traf, hatten nichts zu verzeihen. Sie tranken ebenfalls.
Manchmal hatte sie ein schlechtes Gewissen deswegen, doch in den meisten Fällen war sie schneller als ihr Gewissen ihr hätte hineinreden können.
Seit langer Zeit trug die Frau die Hälfte eines Medaillons, einen Haifischzahn, eine Plastikperle und eine Muschel an einem Lederband um ihren Hals. Auch diese Dinge hatten eine Geschichte, die ich, Scheherazade, rasch erzählen will. Der Haifischzahn stammte von einem Grauhai, den der ägyptische Ehemann der Frau einmal harpuniert und ihr zum Geschenk gemacht hatte, ebenso wie die Plastikperle, seinen Glücksbringer (sein Glück verließ ihn, nachdem er diese Dinge weggegeben hatte), die andere Hälfte des Medaillons trug der Mann, dem sie sein Kinderlächeln genommen hatte, und die Muschel stammte von seiner Afrikareise.
All diese Dinge hatten nur noch symbolischen Wert, denn von den Menschen, die mit ihnen in Verbindung standen, war die Frau schon weit entfernt.
Eines Abends fand sie, dass es an der Zeit für ein neues Symbol sei, und so suchte sie den Goldschmied des kleinen Hafendorfes auf und bat ihn, ihr einen Halbmond aus Silber zu fertigen. Sie entwarf ein schlichtes Bild, und er brauchte keine Stunde, um daraus einen Anhänger zu machen. Die Übergabe wurde mit großen Mengen Raki gefeiert, und anschließend ging es in die einzige Diskothek des Örtchens.
Die Frau war sehr glücklich mit ihrem neuen Anhänger, hatte sie doch schon immer eine große Nähe zum Mond in all seinen Phasen verspürt.
Im Laufe der Zeit, die sie auf der Insel verbrachte, traf sie ihre Entscheidung für ein anderes Leben, eines, das ihr erlaubte, sie selbst zu sein. Denn nirgendwo auf der Welt fühlte sie sich so sehr eins mit sich wie dort, und sie war entschlossen, dieses Gefühl mit in ihren Alltag zu nehmen.
Es gab neue Kämpfe nach der Rückkehr, Trennungen, weitere Ent-Täuschungen, aber es gab auch eine neue, leichte, wohltuende Liebe. Allerdings konnte sie nicht an diese Liebe glauben, nicht daran, dass jemand sie so lieben könnte, wie sie war. Denn wie konnte sie jemand erkennen, wenn sie sich selbst nicht kannte? Wie konnte sie jemand lieben, wenn sie sich selbst nicht liebte? Wie sollte jemand an sie glauben, wenn sie selbst es nicht konnte? Trotzdem tat ihr diese neue, leichte Liebe gut und hätte einige der Wunden, die sie sich selbst geschlagen hatte, heilen können. Aber sie ließ es nicht zu.
Nein, die Frau zog es vor, sich einem neuen Kampf zu stellen, einem Kampf, der von vornherein ohne Sieger sein würde. Sie wusste das. Doch wie Don Quichotte tapfer gegen die Windmühlen ankämpfte, stellte sie sich einem Gespenst aus der Vergangenheit, wohl wissend, dass sie keine Chance haben würde.
Nach viel zu langer Zeit verließ sie das Schlachtfeld, blutend, verletzt, gedemütigt. Kurze Zeit später verließ das Schlachtfeld sie.
Auf der Suche nach dem Nachhauseweg fand die Frau ein Buch am Straßenrand. Es war rot und schwarz, vor allem aber waren seine Seiten leer. Sie nahm das Buch, setzte sich auf einen Stein und fing an zu schreiben. Sie schrieb ihre Lebensgeschichte, die Geschichte ihrer Mutter, sie schrieb über eine Liebe, die sie so nie kennengelernt hatte, über ihre Angst, diese Liebe möglicherweise mit ihrer Ruhelosigkeit im Keim zu ersticken, sie schrieb über ihre Träume und ihre Wünsche.
Sie konnte nicht mehr aufhören zu schreiben, und sie wollte es auch nicht. Sie wollte nichts weiter tun als auf diesem Stein zu sitzen, bis das Buch voll war mit einer neuen Geschichte.
Scheherazade wünschte sich, dass der Sultan näher bei ihr sitzen würde, während sie diese neue Geschichte erzählte. Sie wusste, dass sie ihm Unrecht getan hatte, als sie nur an ihr eigenes Leben dachte und nur die Geschichten erzählt hatte, von denen sie glaubte, dass sie damit den eigenen Tod hinauszögern könnte. Aber sie wusste nicht, ob der Sultan ihr noch einmal Vertrauen schenken würde.
Alle wissen, dass Geschichten nur Worte sind. Scheherazade hatte gefühlt, wie Worte verletzen können, wenn ihnen keine Taten folgen. Wenn sie für diese Tat mit dem Leben bezahlen sollte, würde sie es mit Freuden tun, und keine Geschichte, wahr oder erfunden, würde jemals wieder über ihre Lippen kommen.
Im Tiefsten ihres Herzens hoffte sie jedoch, dass der Sultan ihr seine Hand reichen und sie bis an ihr Lebensende glücklich und voller Liebe sein und gemeinsam gute und heldenhafte Taten vollbringen würden.
Früher ging es für Scheherazade nur darum, zu überleben, indem sie Geschichten erzählte, eine nach der anderen, in 1001 Nacht. Sie hat diese Aufgabe gut gelöst, denn sie lebt. Wären ihre Geschichten nicht gut gewesen, hätte man sie geköpft.
Heute jedoch geht es ihr nicht mehr nur um sich selbst und ihr eigenes Überleben, denn sie hat sich in den Sultan verliebt und ihre Angst mehr, getötet zu werden, ist vor dieser Liebe in den Hintergrund getreten. Auch ist sie zu oft gestorben in diesen 1001 Nächten.
Heute will sie eine Geschichte erzählen, die Mut macht, die Freude schenkt und ein Lächeln ins Gesicht zaubert, und sie weiss, dass sie vor einer sehr großen Aufgabe steht. Versagt sie, wird der Sultan sich in Luft auflösen und sie allein in einem leeren Palast zurücklassen. Lügt sie, wird sie das Vertrauen, das er in ihre Fähigkeiten setzt, für alle Zeiten enttäuschen.
Die Inhalte, über die Scheherazade erzählen wird, hat sie selbst gefunden, allerdings wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, sie nebeneinander zu legen.
Es sind ein silberner Anhänger in Form eines Halbmondes, eine Flasche Wein und ein leeres Buch. Sie alle haben ihre eigene Geschichte, doch einzig wichtig ist das, was sie gemeinsam haben.
Es ist heller Nachmittag, doch in Scheherazades Welt herrscht tiefste Nacht. Zeit für Geschichten.
Und alle Geschichten beginnen mit "Es war einmal..."
Es war einmal eine Frau in mittleren Jahren, wie man sagt, wenn Frauen die Vierzig überschritten haben. Sie selbst hätte sich niemals so bezeichnet, auch wenn sie sich zuweilen sehr, sehr alt fühlte. Diese Frau reiste eines Tages auf eine Insel, um sich und ihre Gefühle neu zu ordnen. Sie hatte ein Jahr der Traurigkeit, der Kämpfe, der Niederlagen und der Enttäuschungen hinter sich, und sie war bereit, eine Entscheidung zu treffen, die ihr Leben in neue Bahnen lenken sollte.
Sie betrat die Insel, fühlte die feuchte, heisse Luft auf ihrer Haut, schmeckte Wärme, sah dieses ganz besondere Licht, von dem sie sicher war, dass es nur auf dieser einen Insel für das menschliche Auge sichtbar wurde. Sie wusste, dass sie sich auf einer Zauberinsel befand, und sie wollte sich einmal mehr verzaubern lassen. Unerlässlich für einen guten Zauber ist ein guter Wein, das wissen alle, die jemals gezaubert haben. Also trank sie, und sie trank mehr, als ihr gut tat. Die Insel verzieh ihr. Die Menschen, auf die sie traf, hatten nichts zu verzeihen. Sie tranken ebenfalls.
Manchmal hatte sie ein schlechtes Gewissen deswegen, doch in den meisten Fällen war sie schneller als ihr Gewissen ihr hätte hineinreden können.
Seit langer Zeit trug die Frau die Hälfte eines Medaillons, einen Haifischzahn, eine Plastikperle und eine Muschel an einem Lederband um ihren Hals. Auch diese Dinge hatten eine Geschichte, die ich, Scheherazade, rasch erzählen will. Der Haifischzahn stammte von einem Grauhai, den der ägyptische Ehemann der Frau einmal harpuniert und ihr zum Geschenk gemacht hatte, ebenso wie die Plastikperle, seinen Glücksbringer (sein Glück verließ ihn, nachdem er diese Dinge weggegeben hatte), die andere Hälfte des Medaillons trug der Mann, dem sie sein Kinderlächeln genommen hatte, und die Muschel stammte von seiner Afrikareise.
All diese Dinge hatten nur noch symbolischen Wert, denn von den Menschen, die mit ihnen in Verbindung standen, war die Frau schon weit entfernt.
Eines Abends fand sie, dass es an der Zeit für ein neues Symbol sei, und so suchte sie den Goldschmied des kleinen Hafendorfes auf und bat ihn, ihr einen Halbmond aus Silber zu fertigen. Sie entwarf ein schlichtes Bild, und er brauchte keine Stunde, um daraus einen Anhänger zu machen. Die Übergabe wurde mit großen Mengen Raki gefeiert, und anschließend ging es in die einzige Diskothek des Örtchens.
Die Frau war sehr glücklich mit ihrem neuen Anhänger, hatte sie doch schon immer eine große Nähe zum Mond in all seinen Phasen verspürt.
Im Laufe der Zeit, die sie auf der Insel verbrachte, traf sie ihre Entscheidung für ein anderes Leben, eines, das ihr erlaubte, sie selbst zu sein. Denn nirgendwo auf der Welt fühlte sie sich so sehr eins mit sich wie dort, und sie war entschlossen, dieses Gefühl mit in ihren Alltag zu nehmen.
Es gab neue Kämpfe nach der Rückkehr, Trennungen, weitere Ent-Täuschungen, aber es gab auch eine neue, leichte, wohltuende Liebe. Allerdings konnte sie nicht an diese Liebe glauben, nicht daran, dass jemand sie so lieben könnte, wie sie war. Denn wie konnte sie jemand erkennen, wenn sie sich selbst nicht kannte? Wie konnte sie jemand lieben, wenn sie sich selbst nicht liebte? Wie sollte jemand an sie glauben, wenn sie selbst es nicht konnte? Trotzdem tat ihr diese neue, leichte Liebe gut und hätte einige der Wunden, die sie sich selbst geschlagen hatte, heilen können. Aber sie ließ es nicht zu.
Nein, die Frau zog es vor, sich einem neuen Kampf zu stellen, einem Kampf, der von vornherein ohne Sieger sein würde. Sie wusste das. Doch wie Don Quichotte tapfer gegen die Windmühlen ankämpfte, stellte sie sich einem Gespenst aus der Vergangenheit, wohl wissend, dass sie keine Chance haben würde.
Nach viel zu langer Zeit verließ sie das Schlachtfeld, blutend, verletzt, gedemütigt. Kurze Zeit später verließ das Schlachtfeld sie.
Auf der Suche nach dem Nachhauseweg fand die Frau ein Buch am Straßenrand. Es war rot und schwarz, vor allem aber waren seine Seiten leer. Sie nahm das Buch, setzte sich auf einen Stein und fing an zu schreiben. Sie schrieb ihre Lebensgeschichte, die Geschichte ihrer Mutter, sie schrieb über eine Liebe, die sie so nie kennengelernt hatte, über ihre Angst, diese Liebe möglicherweise mit ihrer Ruhelosigkeit im Keim zu ersticken, sie schrieb über ihre Träume und ihre Wünsche.
Sie konnte nicht mehr aufhören zu schreiben, und sie wollte es auch nicht. Sie wollte nichts weiter tun als auf diesem Stein zu sitzen, bis das Buch voll war mit einer neuen Geschichte.
Scheherazade wünschte sich, dass der Sultan näher bei ihr sitzen würde, während sie diese neue Geschichte erzählte. Sie wusste, dass sie ihm Unrecht getan hatte, als sie nur an ihr eigenes Leben dachte und nur die Geschichten erzählt hatte, von denen sie glaubte, dass sie damit den eigenen Tod hinauszögern könnte. Aber sie wusste nicht, ob der Sultan ihr noch einmal Vertrauen schenken würde.
Alle wissen, dass Geschichten nur Worte sind. Scheherazade hatte gefühlt, wie Worte verletzen können, wenn ihnen keine Taten folgen. Wenn sie für diese Tat mit dem Leben bezahlen sollte, würde sie es mit Freuden tun, und keine Geschichte, wahr oder erfunden, würde jemals wieder über ihre Lippen kommen.
Im Tiefsten ihres Herzens hoffte sie jedoch, dass der Sultan ihr seine Hand reichen und sie bis an ihr Lebensende glücklich und voller Liebe sein und gemeinsam gute und heldenhafte Taten vollbringen würden.
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