09 April 2009

Die erste Radtour des Jahres

Von der Funktionsweise eines Fahrrads habe ich etwas soviel Ahnung wie von Analytischer Geometrie. Was daran liegt, dass ich mich, als bei der Verteilung der Talente das räumliche Vorstellungsvermögen dran war, irgendwo versteckt haben muss. Als ich kürzlich am Online-IQ-Test der Süddeutschen teilnahm, bei der viel zuviele Aufgaben das Zusammenbauen alberner Würfel oder Verlegen von Streichhölzern in sinnvolle geometrische Folgen zum Inhalt hatten, statt wichtige Dinge wie Allgemeinbildung, Literatur und Kunstverständnis abzufragen, ergab die Auswertung, dass mein IQ irgendwo in der Nähe von George W. Bush anzusiedeln sei.
Ich hatte drei Tage lang Depressionen.

Aber das ist nicht das Thema. Fahrradfahren ist das Thema. Ich habe also keine Vorstellung, warum und wie ein Fahrrad funktioniert, aber ich weiß, wie ich sehr schnell mit diesem Fortbewegungsmittel von A nach B komme.
Und weil ich meine Defizite zu organisieren weiß, wandert mein Fahrrad jedes Jahr für ein paar Stunden zur Inspektion, wo Menschen, die sich damit auskennen, dafür sorgen, dass ich dies pannenfrei tun kann.

Heute habe ich also mein zweitliebstes Fortbewegungsmittel abgeholt, um es wieder nach Hause zu bringen. Da mein Zeitplan die kürzeste Strecke vorsah, bestand meine Sportbekleidung aus Jeans, Top und ausrangierten Aerobicschuhen, wollte ich uns doch nur die paar Kilometer ins schönste Dorf Südniedersachsens bewegen. Auf flacher Strecke und bei vorsichtig optimistischem Frühlingswetter.

Aber das Fahren machte Spaß. Immerhin war es das erste Mal in diesem Jahr, meinen Beinen ging es wieder etwas besser, und ich hatte meine Stöpsel im Ohr.

Unterwegs begrüßte ich begeistert all die Hindernisse auf zwei Beinen, die ich während des langen Winters schmerzlich vermisst hatte: Menschen, die bei ihrem meditativen Spaziergang die gesamte Breite des Weges einnehmen und auf Rufen, Schreien oder Klingeln mit wilden Sprüngen reagieren. Auch in diesem Jahr springen sie überall hin, nur nicht aus dem Weg.
Ein freundliches "Hallo!" auch den Hundehaltern, die Fiffi zwar an der Leine, aber trotzdem nicht unter Kontrolle haben, den Mamis, die ein paar nachwuchsfreie Stunden zum Spazierentragen ihrer Wanderstöcke nutzen, dem einen oder anderen Inline-Skater oder den Nahrungsbeschaffern unserer Industriegesellschaft auf ihren Treckern, die nicht überholt werden wollen und deshalb auch nicht ausweichen.

Ich dachte "Herzlich willkommen, Ihr Schnarchtatzen!" und fuhr herum, vorbei und weiter. Fand ein paar Kilometer vor Zuhause, dass ich noch nicht nach Hause wollte, und bewegte mich und mein Fahrrad dorthin, wo die Eingeborenen tiefergelegte Clios fahren und kulturelle Veranstaltungen verabscheuen. (Aus Gründen des Selbstschutzes lasse ich den Namen dieser südniedersächsischen Mittelstadt mit guter Verkehrsanbindung unerwähnt. Allerdings bin ich sicher, dass es auch in Ihrer Umgebung einen Ort gibt, dessen Nummernschild drei Buchstaben hat und dessen Bewohner sich nicht durch den IQ eines George Doubleyou auszeichnen.)

Aus der geplanten 45-minütigen Heimfahrt wurden etwas mehr als zwei Stunden. Mein frisch gewartetes Fahrrad und ich haben uns neu kennengelernt. Meine Beine und ich haben uns zerstritten. Sie (die Beine) fanden, dass es völliger Blödsinn sei, so kurz nach dieser Rennerei vom Wochenende schon wieder so lange arbeiten zu müssen.

Und hätte ich einen Liebsten, dann hätte der mich heute auch nicht lieb: Mehr als einen sehr schnellen Kuss im Stehen könnte ich ihm nicht geben; alles Horizontale müsste jetzt ein paar Tage warten...

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