20 Oktober 2009

Willenlos

... ist frau immer dann, wenn sie über vierzig ist und gerade eine Menge Adrenalin produziert hat, weil dauernd das Telefon klingelt, die Nachbarin nervt und die Wochenendeinkäufe noch nicht erledigt sind und jetzt, nachdem weder der alberne Säbelzahntiger noch der Höhlenvorstand aufgetaucht sind, langsam zur Ruhe kommt.
Dann schüttet der Körper einen anderen Botenstoff - Cortisol - aus, der vor ein paar tausend Jahren möglicherweise sinnvoll war, im 2. Jahrtausend aber eher kontraproduktiv wirkt. (Eine Bitte an die Botaniker, Biologen und Mediziner: Nageln Sie mich bitte nicht auf einen Namen fest - vielleicht heisst das Zeug auch völlig anders. Wichtig ist ausschließlich die Wirkung. Mir jedenfalls.)
Cortisol (oder was auch immer) macht nämlich Heisshunger. Was früher auch überlebenswichtig war; musste doch Frau Neandertal dringend die säbelzahntigerbedingt verbrauchte Energie wieder auffüllen. Frau Müller jedoch ist nicht gerannt und hat auch nicht gekämpft. Sie hat gesessen und telefoniert. Folglich hat sie jetzt zwar brüllenden Hunger, aber im Grunde keinen Platz für Nahrung.

Keinen Platz? Doch, hat sie! Der Platz heisst "Fettzelle" und freut sich über alles, was bläht. Und da die Cortisolausschüttung meist am Ende des Arbeitstages stattfindet, also nachmittags, termingerecht zum geistigen und körperlichen Tief des Müllerschen Biorhythmus, ist die Dame willenlos. Und frisst. Alles, was Kühlschrank und Vorratskammer hergeben.

Ich kenne Frau Müller gut. Das ist das elende Weibsstück, das mitternächtens sein Unwesen in meiner Küche treibt. Ich sehe sie nie, aber jeden Morgen muss ich ihre Spuren verwischen: Brotkrümel, Käsereste, leere Nutellagläser.

Warum Frau Müller erst gegen Mitternacht auftaucht? Weil ich eine Frau mit Prinzipien bin: Ich gebe nicht irgendwelchen nachmittäglichen Cortisolausschüttungen nach. ICH NICHT!

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