31 Dezember 2009

Das ewige Meer

... befindet sich im tiefsten Ostfriesland, direkt neben der Ortschaft Eversmeer, Gemeinde Großheide. Kennen Sie nicht? Dann sollten Sie es kennenlernen, denn es ist erstens hübsch dort, zweitens wohnen unglaublich nette Menschen in dieser Gemeinde und drittens kennen Sie dann mehr als die meisten Eingeborenen.

Meine beste Freundin zum Beispiel beantwortete im Sommer meine Frage angesichts des Hinweisschildes "Zum Ewigen Meer" mit: "Weiß ich doch nicht. Irgendein Wasser halt." und outete sich damit als eine echte Residentin. Die zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie die Sehenswürdigkeiten der nächsten Umgebung ignorieren oder gar nicht erst wahrnehmen. (Andere Freunde leben direkt an der Südküste Kretas, 500 Meter Fußweg zum Meer. Ich habe keine Ahnung, wann sie das letzte Mal im Wasser waren. Sie selber wahrscheinlich auch nicht.)

Heute beschloss ich jedenfalls, laufenderweise das Ewige Meer zu suchen, zu finden und zu besichtigen. Glatt war es, recht kalt, etwas Schneegriesel (wie die Wetterberichterstatter das nennen), noch kälterer Wind. Also Rentnerkrallen unter die Laufschuhe, warm angezogen, und los.

Ich durfte feststellen, dass die Ostfriesen eine ähnliche Haltung zu nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern pflegen wie die Northeimer: Sie betrachten sie als schnellstmöglich zu beseitigendes Freiwild auf Füßen. Auch scheint ein laufender Mensch hier eher ungewöhnlich, denn die Blicke, die mich aus gut geheizten Fahrzeugen heraus trafen, gaben mir das Gefühl, ein besonders interessant bepelztes Lebewesen zu sein, dass eigentlich hinter Zoogitterstäbe gehört.

Ich ignorierte Gegenwind, -verkehr, den Gestank nach altem Bratfett, der aus einer Berlinerbude drang und die verständnislosen Blicke und kämpfte mich vorwärts. Mein iPod unterstütze mein Vorhaben mit der Rocky-Filmmusik, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht durch zusätzliches Schattenboxen noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen.

Da - zwei Wegweiser, einer links mit dem Hinweis: "Ewiges Meer - 0,9 km", direkt gegenüber ein weiterer, offizieller aussehender, auf dem stand: "Ewiges Meer - 1.500 m". Ich begab mich in die angezeigte Richtung, wich einem wildgewordenen Postauto aus, machte einen großen Umweg um einen Bauernhof, auf dem zwei nicht angeleinte Hunde in Übergröße herumturnten und erreichte nach etwa sechs Minuten (Was bei meiner Laufgeschwindigkeit ungefähr einen Kilometer ausmacht.) einen Parkplatz. Interessanterweise befanden sich zur Rechten Halteverbotsschilder für die Zeit von 20.00 bis 6.00. Ich wunderte mich kurz, überlegte dann aber, dass so ein Ostfriese möglicherweise im Dunkeln den gleichen Fahrstil pflegt wie bei Tageslicht und daher am Straßenrand abgestellte Fahrzeuge im Eifer des Gefechts übersehen würde.

Über einen Fußweg (Jetzt entspannte ich mich spürbar, weil die Gefahr, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, für einen Moment gebannt war.) erreichte ich das Ewige Meer. Schön. Nein, wunderschön. Eine Moorlandschaft mit zugefrorenen Wasserflächen rechts und links eines Bohlenweges, alles leicht überpudert mit frischgefallenem Schnee, und direkt vor mir der See. Ebenfalls gefroren, sehr still, fast, als gäbe es außer mir niemanden mehr auf dieser Welt.

Gut, der Begriff "Meer" ist ein bisschen größenwahnsinnig. Die Ewigkeit ist hier allerdings deutlich zu spüren.

Schöner kann man ein Jahr nicht beenden, finde ich.

Auf dem Weg zurück habe ich Rückenwind, und es läuft sich fast von allein.

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