20 Juli 2011

Nachrichten aus der Anstalt - Tag 1

Meine Koffer, mein Auto und ich sind angekommen. Ursprünglich war mein Plan, die Bahn zu nehmen, aber die Befürchtung, ich könnte niemanden finden, der bereit wäre, einer vollkommen gesund aussehenden Rückenkranken die schwere Tasche aus dem Zug hinaus und in den nächsten hinein zu heben, hat mich daran gehindert.
Erfahrungen früherer Jahre haben mir gezeigt, dass ich die Sorte Frau bin, die einen Schrankkoffer ohne männliche Hilfe von A nach B schleppt, während die zarte Blondine gleich neben mir von Männerschwärmen umlagert wird, die sich darum reißen, ihre Handtasche zu tragen.
Am Check-In erklärte ich, dass ich Hilfe beim Tragen bräuchte. "Da sagen Sie bitte noch einmal bei der Aufnahme im Haus "Birkenstock" Bescheid, dann wird man das für Sie organisieren!" beschied mich die freundliche Dame an der Rezeption und erklärte mir den Weg dorthin.
Im Haus Birkenstock angekommen, erhielt ich nach 15-minütigem Warten eine Codekarte für mein Zimmer und einen Zettel mit der Uhrzeit, zu der ich mich wieder beim Check-In melden sollte. Man hing etwas nach in der Bearbeitung der Neuankömmlinge.
Ich bat nochmals um Hilfe beim Gepäcktransport. "Da sagen Sie später im Schwesternzimmer Bescheid, die werden das für Sie organisieren." war die freundliche Auskunft.
Also suchte und fand ich mein Zimmer, schloss auf, stellte meine Handtasche aufs Bett und fest, dass mir bis zum Check-In noch eine gute halbe Stunde blieb. Vielleicht gelänge es mir ja, wenigstens meine Reisetasche...?
Ich zerrte Rucksack mit Büchern und Trainingstasche aus dem Auto und schleppte beides zum Fahrstuhl. In meinem Zimmer angekommen, packte ich aus und stellte fest, dass ich immer noch 15 Minuten Zeit hatte. (Warten würde übrigens für die nächsten Tage zu meiner Hauptbeschäftigung werden; glücklicherweise wusste ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht.)
Die freundliche Dame an der Aufnahme war noch immer mit einem Herrn, den wir inzwischen "Krücki" nennen und der über eine beachtlich verlängerte Reaktionszeit angesichts neuer Informationen verfügt, beschäftigt. Krücki hatte von den geplanten 20 Minuten für die Aufnahme bereits die doppelte Zeit beansprucht. Die Dame vor mir versprach: "Ich beeile mich!" Ich wartete und durfte mit 15-minütiger Verspätung die heilige Halle betreten.
Nachdem man mich und meinen Blutdruck gemessen, mein aktuelles Übergewicht dokumentiert und mir einen weiteren Zettel in die Hand gedrückt hatte, durfte ich gehen und wendete mich direkt ans Schwesternzimmer.
Die Damen hatten sich verbarrikadiert, als arbeiteten sie in der Leistungssachbearbeitung des Sozialamtes und nicht in einem Rehazentrum. Ich wartete ergeben weiter, räusperte mich ab und zu und hoffte darauf, vor dem nächsten Bandscheibenvorfall bemerkt zu werden.
Ein paar Minuten später durfte ich mein Anliegen vortragen, man telefonierte und erklärte, mein Koffer würde in ca. einer Stunde transportiert werden. "Dann muss ich aber schon am Speisesaal sein." wandte ich vorsichtig ein. "Früher geht es nicht." erklärte die Diensthabende. (Hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass mich keine Mittagsmahlzeit, sondern ein Anschlag auf mein körperliches und geistiges Wohlbefinden erwarten würden, hätte ich nicht insistiert.)
Ich wartete auf meinem Zimmer weiter. Gern hätte ich mich einen Moment in Stufenbettlagerung entspannt, aber das war nicht möglich, weil ich noch keinen Therapiewürfel hatte. Den musste ich bei der Ärztin, die später die Aufnahmeuntersuchung durchführen würde, beantragen, um ihn dann abends vom Pflegepersonal (das, nebenbei bemerkt, schwerer auszumachen war als ein Reh mit schlechten Erfahrungen) ausgehändigt zu bekommen.
70 Minuten später befand sich mein Koffer immer noch in meinem Auto und mein Magen im Hungeraufruhr. Also marschierte ich zum Parkplatz, öffnete die hintere Tür, zerrte meinen Koffer vom Rücksitz, ließ ihn fallen, schloss die Tür wieder und zog das gefühlte 25 kg schwere Gepäckstück hinter mir her, in den Fahrstuhl und aufs Zimmer.
Als ich danach zum Mittagessen ging, kam ein Mann mit Gepäckwagen zur Tür herein. "Wenn Sie nur auf mich warten, können Sie wieder gehen. Ich habe mir allein geholfen." erklärte ich ihm. "Tut mir leid, ging nicht früher." "Ich lebe ja noch und stehe aufrecht, also ist alles gut." sagte ich, obwohl ich nicht das Gefühl hatte, ihn beruhigen zu müssen.


Das Mittagessen lasse ich aus. Nur soviel: Wenn die Qualität auf diesem Niveau verharrt, ist die Wahrscheinlichkeit, am Ende der drei Wochen ein paar Kilo verloren zu haben, 99,5%.

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