06 September 2011

Auch friesische Fallmanager haben den Blues

Frau Meier-Müller, TVÖD Gruppe 9 hatte diesen jedoch hinter sich. Keine Rauchpause mehr auf dem Hof der Agentur, kein Gelästere in der Kantinenschlange über die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die seit der Verbalkorrektur des BMAS (Bundesministerium für Arbeit) erwerbsfähige Leistungsberechtigte waren, vorbei die wunderbaren Zeiten des Ausstempelns am Freitagvormittag, wenn man sich das Wochenende redlich verdient hatte durch die Ersparnis des einen oder anderen Euro, die nicht an die ELBs gezahlt, sondern aufgrund optimaler Beratungstätigkeit im Staatssäckel verbleiben würden!

Frau Meier-Müller hing nämlich tot über dem Zaun des Ortes, in dem sie niemals tot über dem Zaun hätte hängen wollen. Der Ort hieß Kleinsand, erstreckte sich über halb Ostfriesland, und Frau Meier-Müller war unter anderem für die arbeitssuchenden Bewohner des Rotkehlchenwegs zuständig gewesen.

Eine dieser Bewohnerinnen hatte jedoch nach dem siebenunddreißigsten Bewerbungstraining und dem achtundzwanzigsten Jobangebot, das sie aufforderte, sich schnellstmöglich bei einer Reinigungsfirma zu bewerben, die seit drei Jahren pleite war, beschlossen, dass eine tot über dem Zaun hängende Fallmanagerin besser war als eine lebendig am Schreibtisch sitzende und Erpresserbriefe in Form von Eingliederungsvereinbarungen verschickende.

Frau X. war eine geduldige Arbeitslose gewesen. Sie hatte sich ihren Rücken mit Saisonarbeit als Zimmermädchen ruiniert, diverse Lehrgänge zur Berufsfindung mitgemacht und viermal eine Qualifikation als Ersthelferin erworben. Die einzige zielführende Ausbildung hatte sie selbst bezahlt, weil Frau Meier-Müller hierfür keinen Etat hatte.

Allerdings wartete Frau X vergeblich auf Vorschläge; Frau Meier-Müller war auf "Zimmermädchen" fixiert, hatte die drei Bandscheibenvorfälle kurzerhand von ihrer Festplatte gestrichen und schickte einen Vorschlag nach dem anderen. Im Friesischen werden Zimmermädchen gesucht.

Und so kam der Tag, an dem Frau X beschloss, dem Elend ein Ende machen zu müssen. Sie hatte in einer Erwerbsfähige-Leistungsberechtigte-Selbsthilfegruppe erfahren, dass eine kranke und deswegen zur Zeit nicht erwerbsfähige Leistungsberechtige nicht mit Terminvorschlägen belästigt werden dürfe. Frau Meier-Müller hatte trotzdem eingeladen. Mit Rechtsfolgenbelehrung. Frau X nahm den Termin wahr.
Glücklicherweise gehörte auch Frau Meier-Müller zu den Fallmanagerinnen, die ihre Bürotüren mit Postern verbarrikadiert hatte. "Persönlich auch ohne Händedruck!" stand da zu lesen und "KEINE VORSPRACHE OHNE TERMIN!".
So sah niemand, wie Frau X lächelnd um den Schreibtisch herumging, sich auf die Kante setzte, ihre Hände um den für das Laufpublikum unsichtbaren Fallmanagerinnenhals legte und diesen würgte, bis der Tod eintrat.

Zur Kaffeezeit, als in der Agentur langsam Ruhe einkehrte, zerrte sie Frau Meier-Müller durch den Hinterausgang, verfrachtete die Fallmanagerinnenleiche in den Kofferraum ihres sehr, sehr alten Golf I, fuhr in ordnungsgemäßer Geschwindigkeit vom Hof, hängte die Leiche 30 Kilometer später über einen Zaun und begab sich zufrieden zurück in den Rotkehlchenweg.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Zwergenkönigin! Das ist mein Geschenk; für mehr reicht es nicht - meine Krankenkasse hat den gelben Schein verschusselt...

Sag Bescheid, wenn ich den LSB (Leistungssachbearbeiter) um die Ecke bringen soll - das gibt es dann zum 48. ;-)

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