14 Februar 2012

Kreisverkehr

Wann ich losgefahren bin, kann ich heute nicht mehr sagen. Es gab eine Auffahrt, und ich habe sie genommen. Damals war ich abenteuerlustig; eine Handtasche mit Bikini und einem 10-DM-Schein reichten mir, um aufzubrechen.

Diese erste Fahrt ging geradeaus in die falsche Richtung: Statt wie geplant mit meinem Bikini in Italien anzukommen, landete ich in Hannover-Buchholz. Ich hatte die falsche Auffahrt genommen und meinen Daumen dem falschen Auto entgegen gestreckt.

Kurz darauf war ich wieder zuhause und um die Erfahrung reicher, dass dunkle Straßen, von denen aus man in erleuchtete Fenster schaut, ein Gefühl tiefster Einsamkeit hervorrufen und dass man viel zu häufig von den falschen Menschen abgeholt wird.

Die nächste Auffahrt führte mich in eine gefühlt bessere Richtung. Keine. Murphys Law sagt: "Wenn es Dir egal ist, wo Du bist, kannst Du auch nicht verloren gehen." Das ist gelogen. Auch wenn die scheinbar richtige Auffahrt gefunden wurde, die Freude darüber, Andere, Langsamere abgehängt zu haben, groß ist, heißt das noch lange nicht, dass die höhere Geschwindigkeit auch zu einem Ziel führt.

Egal. Ich war mitten drin im Kreisverkehr. Möglicherweise hatte ich das nicht geplant, ganz sicher hatte ich keine Karte. Ich fuhr. Das musste zunächst reichen.

Die nächste Abfahrt hieß "Liebe". Ich bog nach 300 m. rechts ab und fand nichts als einen leeren Parkplatz und volle Mülleimer. Trotzdem blieb ich. Es hätte ja sein können, dass der Sinn in goldener Rüstung und auf einem weißen Pferd herbei galoppiert wäre. Den wollte ich nicht verpassen.
Nach einem halben Jahr - der Inhalt der Mülleimer konnte mich nicht mehr nähren - fand ich mich auf dem Kreisel wieder, rasend.

Glücklicherweise hatte ich genug zu trinken dabei.

Nach einigen Runden, in denen ich nicht in der Lage war, eine Ausfahrt zu erkennen, las ich ein Schild. "Berufung" stand darauf. Das klang großartig, ich setzte den Blinker und bog ab. Die Raststätte war klein, gemütlich, es gab genügend Kaffee und Bier.
Ich setzte mich an einen freien Tisch, trank und schrieb und vergaß, dass draußen mein Auto stand.
Die Kellnerin war freundlich: Sobald mein Becher leer war, schenkte sie neu ein; morgens Kaffee, abends Bier. Ich trank und schrieb.
Irgendwann schloss die Raststätte, ich setzte mich in mein Auto und fuhr wieder los, keine Idee, wohin es gehen sollte, wie auch, ich war ja immer noch mitten drin in meiner unvollendeten Geschichte.

Dieses Mal hatte ich allerdings keine Lust, nur sinnlos im Kreis zu fahren. Ich hielt an, wenn es Schönes zu sehen gab, entdeckte kleinere Abfahrten, feierte Dorffeste und fand Gleichgesinnte. Hier, im Nirgendwo, hätte ich bleiben können, doch die Infrastruktur erlaubte keine langfristigen Pläne.

Dann wechselte ich das Auto. Aus einem VW Käfer, selbst bemalt und mit riesigem Frauenzeichen auf der Motorhaube wurde ein geleaster, vernünftiger Kleinwagen. Der VW war einfach nicht zuverlässig genug.

Mein vernünftiger Kleinwagen fand eine weitere Abfahrt. Der nächste Ort hieß "Sicherheit". Hier blieb ich nicht lange.

Für kurze Zeit hatte ich sogar einen Beifahrer. In diesen Tagen fuhr ich angeschnallt. Sicher ist sicher.

Die letzte Ausfahrt, deren Name mich verlockte, nannte sich "Vertrauen". Ich fuhr ab, fand eine Haarnadelkurve und stand ohne fahrbaren Untersatz da. Irgendjemand hatte das Schild "Die Straße endet hier!" weggenommen.

Seitdem bin ich zu Fuß unterwegs und bevorzuge Kurzstrecken.

1 Kommentar:

  1. Du beschwerst Dich über den verehrungswürdigen Murphy: »"Wenn es Dir egal ist, wo Du bist, kannst Du auch nicht verloren gehen." Das ist gelogen.« -- Sagst Du.

    Nö, isses gar nicht. Höchstens wenn man verlangt, dass »egal wo« bedeutet, dass das »auch zu einem Ziel führt«, und das ist ja aber Quatsch.

    Entweder »egal wo« oder »Ziel«, beides zusammen geht nicht.

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