17 Dezember 2012

Prenzlauer Berg Mamas in Göttingen


Ich sitze in Göttingen im Cinecafé, warte auf den Liebsten, um dann mit ihm ins Kino zu gehen. Der kleine Hobbit. (Nicht der Liebste, sondern der Film.)
Die Idee war, in aller Ruhe ein Feierabendgetränk zu mir zu nehmen und dabei meterweise Liebesgedichte zu produzieren.
Leer war es im Café bei meinem Eintritt. Ich suchte mir eine gemütliche Ecke, nahm Platz und packte mein Netbook aus. Für den Fall, dass Sie das Cinecafé nicht kennen: Es ist ein recht großer Raum, viel Platz, viele Tische über den ganzen Raum verteilt. Die beiden jungen Mamis, die kurz nach mir das Café betraten, steuerten trotz der Größe des Raumes den Tisch direkt neben meinem an. Eine hatte ein Kind im Brustbeutel, die andere im stylischen Wägelchen. Frau setzte sich, packte Kind aus Brustbeutel, stellte Karre zurecht und lächelte mich ob meines schiefen Blickes freundlich an. Ich fletschte die Zähne.
Blag Nummer Eins fing ziemlich bald nach dem Auspacken an, Geräusche zu machen. Ich bekam eine Idee, warum kinderlose Singles von Prenzlauer Berg flüchten.
Eines schläft schon durch. Ein Blag, meine ich. 10 Stunden. „Ohne Essen???“ fragt junge Mami Nummer Zwei entgeistert. „Klar, wie soll es denn schlafen, während es isst?“ hätte ich am liebsten an den Nachbartisch geblafft.
17:53 Uhr. Guapa spürt erste Hitzewallungen. Blag Nummer Zwei ist jetzt auch wach und macht Geräusche. Die Mamis unterhalten sich über Stillrhythmen. Und – ich glaube, meinen Augen nicht zu trauen – eine der beiden holt ein Tuch von irgendwoher (ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass junge Eltern Zeugs mit sich herumschleppen, das schwerer ist als das Blag?) und legt es sich auf den Schoß. Die will doch wohl jetzt nicht stillen? Die stillen ja schließlich überall, diese jungen Mütter, warum also nicht im Cinecafé?
Aber ich habe Glück: Sie will nur, dass das Kleine gemütlicher liegt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ich fühle mich leicht angespannt, ein Fluchtinstinkt macht sich in meinem Frontlappen breit, direkt neben der dort dauerhaft wohnenden Kettensäge.

Verstehen Sie mich nicht falsch – ich mag Kinder! Wenn man Eltern im Bekanntenkreis hat, kann man ab und zu auf den ganz entzückenden Nachwuchs aufpassen, sobald dieser windellos und stubenrein ist. Dann spielt man ein paar Stündchen, darf Dinge tun, die man im normalen Leben als Erwachsene nicht tun würde (Sandburg bauen, im Matsch herumspringen, andere Kinder von der Schaukel verjagen), arbeitet eventuell noch rudimentär vorhandene Mutterinstinkte ab und gibt die lieben Kleinen abends wieder zurück. 
Was sich mir und meinem Verständnis völlig entzieht, ist die Tatsache, dass es ganz offensichtlich (weibliche) Menschen gibt, die den Austausch über Milchfluss und das Einfrieren der überschüssigen Muttermilch, Still- und Schlafzeiten, die Farbe des Bettchens, Windelqualitäten im Verhältnis zur abgesonderten Menge an Kinderkacke und die Geländegängigkeit des Kinderwagens einem vernünftigen Gespräch, z.B. über die letzten Bundesligaergebnisse, den Weltfrieden oder den Hintern von Brad Pitt vorziehen.
Nicht, dass ich es ihnen verbieten wollte! Sollen Sie! Aber nicht in meiner Nähe, wenn ich gerade Liebesgedichte schreiben will! Nicht, während die Blagen gurgelnderweise auf den Tisch hauen und mir meine Feierabendruhe rauben! Zusammengefasst: Sie dürfen sich über alles unterhalten, was ihnen im Zusammenhang mit Stillen, Stuhlgang und Bäuerchen wichtig ist, und sie dürfen auch gern diese albernen Gutschigutschistimmen dabei haben – WOANDERS!!!

Dabei sehen die auf den ersten Blick ganz normal aus. Wenn ich sie ohne Kinderwagen und Brustbeutel sähe, würde ich sie für junge Frauen halten, die einer ordentlichen Beschäftigung nachgehen. 

Jetzt brüllen beide Blagen. Bestimmt wird gleich gestillt.

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