In den Verkehrsmeldungen hieß es schon seit geraumer Weile: "Vollsperrung auf der A2 bei Rehren nach einem Unfall. Ortskundige werden gebeten... blablabla..." Ich befand mich allerdings weit weg in Ostwestfalen, um mich dort von eigens für mich hingestellten zivilen Polizeifahrzeugen fotografieren zu lassen.* Daher fühlte ich mich von dieser Meldung nicht betroffen.
Erst zwei Stunden später, ich stand im Stau auf der A2 zwischen Bad Eilsen und Rehren, erinnerte ich mich wieder daran. Glücklicherweise wusste ich noch nicht, dass die Autobahn bis in die frühen Morgenstunden gesperrt sein und ich die nächsten zwei Stunden für geschätzte 400 Meter brauchen würde.
Mein Lieblingspsychologe Robert Theodor Betz sagt ja immer: "Ärgern Sie sich nicht, wenn Sie im Stau stehen, denn wenn Sie im Stau stehen, will das Leben, dass Sie im Stau stehen. Machen Sie das Beste daraus! Genießen Sie den Stau!"
Also versuchte ich mein Möglichstes, schaute mir die ostwestfälische Landschaft an, beobachtete, wie rechts neben mir ein rumänischer Militärkonvoi langsam vorbeizog, während sich links von mir der Verkehr ebenfalls in Schrittgeschwindigkeit voranschob. Nur auf meiner Spur stand es. Aber das ist immer so: "Da, wo ich bin, geht es nicht weiter." Das ist nicht von R.T. Betz, sondern Murphys Law und genau so auch auf Kassenschlangen anwendbar.
Darüber dachte ich einen Moment nach, sagte ein paarmal den ersten Teil des Gelassenheitsgebetes auf ("Ich wünsche mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.") und schaute mir die anderen Fahrzeuge und deren Insassen an. Dabei kam mir der Gedanke, dass ein Stau etwas zutiefst Demokratisches ist. Es stehen nämlich alle: Saubere Autos, schmutzige Autos, neue Autos, alte Autos, billige Autos, teure Autos, schnelle Autos, langsame Autos, eigene Autos, solche, die der Bank gehören... All das ist dem Stau völlig gleichgültig.
Naja, in diesem speziellen Fall standen nur wir auf der mittleren Fahrspur. Die rechts und links von mir fuhren ja.
Sehr viel später, ich musste dringend auf die Toilette, verspürte einen gewissen Penisneid, weil die Herren der Schöpfung an der Böschung standen und und die ihren in den leichten Abendwind hielten, hatte inzwischen meinen letzten Willen verfasst, mich vom besten Ehemann von allen verabschiedet und bei meinem Auftraggeber abgemeldet, bekam ich die Gelegenheit, auf die nächste Raststätte zu fahren. Da standen sie natürlich auch. Die Autos, nicht die Herren.
Aber ich bin eine Frau mit Lebenserfahrung, und so war ich sicher, dass es irgendwo eine Zu- oder Abfahrt für Notdienste und die Müllabfuhr geben würde. Die gibt es immer. Diese hier war durch ein kleines Hinweisschild gekennzeichnet, kreisrund, rot, mit einem weißen Balken darin.
Ich beobachtete kurz, was um mich herum geschah. Und tatsächlich, nach kurzer Zeit hielt ein BMW mit einem Kennzeichen, das auf Ortskundigkeit schließen ließ, auf diese sehr inoffizielle Ausfahrt zu und war - schwupps - außer Sicht. "Was der kann, kann ich auch!" dachte ich mir und sagte sicherheitshalber noch den zweiten Teil des Gelassenheitsgebetes auf: "Ich wünsche mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann." Von legal oder illegal war ja keine Rede. Und - schwupps - befand ich mich auf der Landstraße mit freier Fahrt zu meinem nächsten Auftrag.
*An dieser Stelle besonders herzliche Grüße an den Herrn S. aus G., der schon immer behauptet hat, dass es Ostwestfalen nicht gäbe und man deswegen dort auch keine Verkehrsdelikte begehen könne. Eine vierwöchige Zeit der inneren Einkehr zu Fuß hat ihn möglicherweise eines Besseren belehrt.
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