Auf diesen Post wartet seit fast drei Wochen ein heldenhafter Finisher der 42,195 km, die sich auf ca. 1.150 Höhenmeter verteilen, und deswegen musste er auch dringend geschrieben werden. Wegen des Heldenhaften, das allen Marathon-Finishern anhaftet. Weil ich eine faule Sau bin, eben erst heute.
Wenn Sie mit Laufen nichts am Hut haben, brauchen Sie hier nicht weiterzulesen. Denn genau darum geht es: stundenlanges Laufen und viel "ruff un runner", wie der Nordhesse sagt, schönes Wetter und darum, dass ich meinen Spaß daran entdeckt habe, anderen bei der Rennerei zuzusehen. Allerdings brauche ich diese Erfahrung nicht noch einmal, so dass ich meine nächste Laufgeschichte wieder mit eigenen Füßen erleben möchte.
Möglicherweise haben Sie mein Fußgemurkel mit verfolgt, das mich fast fünf Monate lang gepiesackt hat. In diesen fünf Monaten bin ich ungefähr soviel gelaufen wie im Normalfall in ein bis zwei Wochen. Das war doof. Deswegen habe ich, als klar war, dass der Bilstein-Marathon dieses Jahr ohne mich auskommen muss, eben geholfen: Tische schleppen, Kisten schleppen, dekorativ herumstehen und orientierungslosen Fremdlingen die Toilette zeigen. Und dann habe ich eben auch noch den oben erwähnten Helden wochenlang angestachelt, damit er startet. Ist er auch. Früh, mit den Wanderern. Damit er die gleich hinter sich hat und sie ihm nicht später, wenn es anstrengend wird, den Weg versperren mit ihrem Stöckchengeziehe. Wanderer sind ja gern einmal dem ambitionierten Läufer im Weg, wie jeder weiß.
Nach dem Startschuss habe ich weiter Tische getragen und dekorativ herumgestanden - bis mir die Idee kam, den Laufhelden ja schon einmal ein paar Meter begleiten zu können. Also habe ich ihm an einem einsamen Baum aufgelauert. Da mussten sie alle lang. Dabei habe ich scheinbar irgendwie offiziell ausgesehen, denn zwei Wanderer fielen vom Laufschritt, der verboten ist, sofort wieder in schnelles Gehen und guckten mich schuldbewusst an. Ich lächelte freundlich und versuchte, mein Gesicht in missbilligende Falten zu legen. Immerhin ist es nicht fair, ordentlichen Wanderern durch verbotenes Rennen zuvorzukommen, finde ich.
Dann kam der Laufheld angetrabt, erklärte, es ginge ihm gut, und ich joggte zwei Kilometer mit. Als Dankeschön bekam ich das durchgeschwitzte Unterhemd mit den Worten "Ist zu warm für das Ding!" in die Hand gedrückt und trug es mit spitzen Fingern zurück an den Start, um es dort einem Freund in die Hand zu drücken.
Jetzt war viel Zeit, und das dekorative Herumstehen wurde mir langweilig. Die einzige Abwechslung war ein aufgeregter schwarzer Hund, der mit Herrchen die 57 Kilometer in Angriff zu nehmen gedachte und durch wildes Gebell und nicht weniger wildes Herumgespringe seiner Vorfreude Ausdruck gab.
Ich wüsste gern, wie hoch die Startgebühr gewesen ist... |
Nach dem Start der Ultraläufer war wieder viel Zeit. Mir wurde immer wärmer und langweiliger. Außerdem wollte mein inneres Kampfschwein sich marathonfein machen und vielleicht doch noch mitrennen.
Das habe ich verhindert, indem ich mit dem Auto zum Verpflegungsstand des FC-Bayern-München-Fanclubs gefahren bin. Ja, Sie lesen richtig! Ich bin mit dem Auto gefahren! Zum Fanclub des FC Bayern München.
Dafür hatte ich aber einen guten Grund. Erstens wollte ich nicht laufen, weil ich ja meine Begleitung für die letzten fünf Kilometern zum Ziel zugesagt hatte und mir deswegen meine Kräfte einteilen musste (siehe oben; ich war ja nicht in Form), zweitens befand sich der Verpflegungsstand der Bayernfans eben dort, und drittens hoffte ich, irgendwo einen kleinen Darmstadt-98-Wimpel unterjubeln zu können.
Die Fans erwiesen sich als nette und wissbegierige Zeitgenossen, und ich hatte viel mehr Spaß als beim dekorativen Herumstehen im Startbereich. Also erzählte ich Veteranengeschichten von meinen drei bisher absolvierten Marathons und kam mir unglaublich erfahren vor. Wäre aber trotzdem viel lieber selbst gerannt.
Inzwischen war es irre warm geworden, und die Leckerlis für die Läufer schmolzen in der Sonne. Deswegen tranken die Bayernfans erst einmal Bier; es sollte ja nicht auch warm werden. Ich schnippelte Waffeln, Riegel und Bananen in mundgerechte Stücke. Gemeinsam versuchten wir, alles Schokoladige vor der Hitze in Sicherheit zu bringen - erfolglos. Auch die Getränke wurden schön warm, was vom ersten Ultraläufer, der sich stärken wollte, mit einem üblen Fluch quittiert wurde.
Wir versorgten eine Menge Wanderer und Läufer (die -innen sind mit gemeint), bis der Held um die Ecke kam, erklärte, dass er eigentlich jetzt nicht mehr könnte und außerdem ein schmerzendes Knie hätte, sich ordentlich verpflegte und dann mit mir gemeinsam die letzten Kilometer in Angriff nahm. Ich musste mir immer wieder sagen, dass er ja schon 37 davon in den Knochen hatte und verkniff mir sinnlose Aufmunterungen.
Wir quatschten über dies und das, stiegen bergauf, joggten bergab, und - schwupps! - hörte man das Ziel. Ich war inzwischen froh, dass mein Körper ein Mitlaufen verhindert hatte; es war wirklich höllisch warm.
Zweihundert Meter vor dem Ziel bog ich ab und wühlte mich gehend durch die Zuschauer. Den Zieleinlauf sollte er allein genießen - immerhin war er ja schließlich auch den überwiegenden Teil ohne irgendeine Unterstützung und mit purer Willenskraft gerannt.
Im Ziel gab es ein schönes Zielfoto (mit Finishermedaille und dem obligatorischen alkoholfreien Weizen), und ich habe mich über seinen Erfolg fast so gefreut, als wäre ich selbst gelaufen.
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