19 Juni 2009

Einbestellte Botschafter

Eine Nachricht des heutigen Tages macht mich nachdenklich. In der heutigen Onlineausgabe der Zeit steht geschrieben:
"Die britische Regierung bestellte den iranischen Botschafter in London ein. Damit reagiere man auf Chameneis Rede, in der dieser Großbritannien als "das Böse" bezeichnet hatte, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in London."
Dabei geht es mir nicht darum, dass irgendein Ayatollah irgendein westliches Land als "das Böse" bezeichnet hat. Das ist an der Tagesordnung, und solange besagter Ayatollah mit "das Böse" Freiheit, Unabhängigkeit, Emanzipation und freie Partnerwahl ohne vorheriges Kopftuchtragen meint, hebt sich nicht einmal eine meiner Augenbrauen.

Spannend finde ich das Einbestellen des Botschafters. Herr Steinmeier hat nämlich letzte Woche auch schon einmal einbestellt.

Finden Sie nicht auch, dass allein das Wort "Einbestellen" ein schlechtes Gewissen macht?

Ich persönlich denke dabei an erzwungene Gespräche mit dem Konrektor, weil ich mit dem Luftgewehr aus dem Toilettenfenster auf einen mir unangenehmen Lehrkörper gezielt habe und dabei erwischt wurde oder an das Einbestellen meiner Mutter in die Schule mit dem Vorsatz, ihr einzureden, ich könne nicht logisch denken. (So geschehen durch meinen ehemaligen Mathematik- und Physiklehrer, dessen Experimente des Öfteren den naturwissenschaftlichen Trakt der Schule in Gefahr brachten.)
Beim Zahnarzt wird man auch einbestellt und muss sich dann Wurzeln und Nerven und Zähne ziehen lassen, bevor die Spritze gewirkt hat.

"Einbestellen" ist kein schönes Wort.

Trotzdem würde es mich brennend interessieren, welcher Zahn einem einbestellten iranischen Botschafter, dessen Überzeugung rein beruflich die von der bösen abendländischen Gesellschaft sein muss, gezogen werden soll. Oder anders: Wie lange muss man ziehen, um eben diesen Zahn irgendwann samt Wurzel in der Hand halten zu können?

Ich bleibe dabei: Erstens möchte ich auf gar keinen Fall iranische Botschafterin (in welchem Land auch immer) sein, und zweitens will ich unbedingt wissen, wie mit einbestellten Botschaftern verfahren wird.

Vielleicht trinken die Jungs ja auch nur Tee, futtern Schnittchen und schimpfen auf Alice Schwarzer??

1 Kommentar:

  1. Wenn Du das wirklich unbedingt wissen willst...

    Na gut, dann klugscheißere ich mal wieder ein bisschen:

    "Einbestellen" heißt im diplomatischen Jargon ungefähr soviel wie die Aufforderung einer Frau gegenüber ihrem Partner: "Du, wir müssen ma' reden..."

    Der so angesprochene Diplomat eines anderen Landes kommt dieser Aufforderung des Außenministeriums dann umgehend nach, weil es - anders als beim o.g. "Partner" - sein Beruf und seine Bestimmung ist, sich irgendwelches Genörgel eines Gegenübers anzuhören, dem grad irgendwas nicht passt.

    Worum es in dem Fall geht, wissen - auch wieder anders als beim besagten Partnerschaftsgespräch - beide Beteiligten meist vorher und konnten sich also jeweils drauf einstellen.

    Da solche Gespräche so gut wie immer hinter verschlossenen Türen und unter vier (oder jedenfalls sehr begrenzter Anzahl von) Augen stattfinden, außerdem eben allseits bekannt ist, worum es geht, könnte es gut sein, dass die Beteiligten wirklich nur miteinander Tee trinken und ein Schwätzchen halten. Denn die jeweiligen "Positionen" sind ja meist eh klar, was muss man also groß weiter viel labern. (Ja, stimmt schon: Diplomatie ist sehr weitgehend ein Männerberuf...)

    Vielleicht schimpfen sie dabei auch über Alice Schwarzer, kann durchaus sein. -- Halte ich aber für unwahrscheinlich, denn: Warum sollten sie? Diplomaten sind in aller Regel, wie gesagt, Männer, und über Alice Schwarzer regen sich doch heutzutage vor allem Frauen auf, oder?

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