11 Mai 2011

Big Brother und ich

Da hatte ich kurz die Anwandlung, mich der größer werden Gemeinschaft anzuschließen. Um mich herum postete es, Statusmeldungen machten die Runde, und der mitleidige Gesichtsausdruck, wenn ich bekannte, dass ich noch nicht bei facebook sei, wurde lästig.
Also meldete ich mich an, erstellte ein Profil, las die Allgemeinen Geschäftsbedingungen so, wie man die eben liest und war flugs Mitglied einer weltweiten Community. "Großartig!" dachte es in mir. "Jetzt wirst Du von hochinteressanten Menschen gefunden, bekommst Kontakte in die große, weite Welt und kannst Deine Ideen viel, viel besser verbreiten.

Etwas unsicher wurde ich, als mir eine Freundin, die ich über facebook wiedergefunden hatte, erklärte, dass ich mit meinem Klick auf "Ich habe die AGB und Datenschutzbestimmungen gelesen und stimme ihnen zu." auch der allgemeinen Verwendung meiner eingestellten Fotos für Werbezwecke zugestimmt hatte.
Kurz darauf hatte ich das Gefühl, die Werbebanner wären gezielter auf meine Aktivitäten abgestimmt als ganz am Anfang. Auf einmal bannerte es Compression Tights, Fuel Belts und Alpro Soja. Hatten die möglicherweise auch Zugriff auf meine Internetbestellungen und mein online geführtes Ernährungstagebuch???

Ich beruhigte mich wieder und freute mich darüber, dass ich jetzt regen Austausch mit guten Freunden und Bekannten hatte, die ich ohnehin mindestens einmal die Woche sah. Außerdem entwickelt man mit der Zeit eine gewisse Freunde-Sammelwut und verschwendet eine Menge Energie darauf, Menschen zu finden, von denen man vor dem Log-In noch gar nicht wusste, dass sie einem gefehlt haben.

Doch dann wollten Margarete H., Jaroslaw X. und Karl-Heinz M. mit mir befreundet sein - alles Schul"freunde", die ich schon doof fand, als ich noch zur Schule ging und deren Anblick auf der Schulpinwand mich zu einer raschen Abmeldung aus einer weiteren - extrem penetranten - Community gebracht hatte.

Auf einmal wurden von mir eigentlich wildfremden (und, nebenbei erwähnt, strotzdoofen Menschen) Fragen an die sicher nicht interesierte Allgemeinheit gestellt: "Glaubst Du, Guapa kann 3 Burger auf einmal essen?", "Glaubst Du, Guapa ist faul?"; ich bekam Einladungen zu ominösen Pokerspielen, Eiersuchen und sonstigem Alberkram. Ein guter Freund von mir dachte, die Unterstützung von Datenmissbrauchskraken sei mein neuestes Hobby.


Ich fühlte mich nicht mehr wohl. Irgendwie war facebook auf einmal überall. Und ich wollte nie von überall beobachtet werden, immerhin hatte "1984" von George Orwell zu meiner bevorzugten Jugendliteratur gehört.

Der Account musste weg.

Aber das geht nicht so einfach, facebook glaubt nicht ohne Weiteres, dass man ein Leben ohne Statusmeldung führen möchte.
Ich habe jetzt mein Profil stillgelegt, mein Passwort und eine Buchstabenkombination ungefähr 37mal eingegeben und heute erfahren, dass mein Account gelöscht wird, wenn ich mich bis zum 25.05. nicht mehr einlogge.


DANKE, facebook!

Und die Moral von der Geschicht': Ich muss nicht überall "drin" sein und schon gar nicht der Welt damit auf die Nerven gehen, dass ich stündlich Befindlichkeitsmeldungen abgebe.

1 Kommentar:

  1. Zu Facebook haben die Freunde von der »Titanic« im aktuellen Heft übrigens einen ganz dollen, erhellenden Artikel drin:
    http://www.titanic-magazin.de/oliver-schmitt-freund-mappus.html

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