27 Juli 2011

Nachrichten aus der Anstalt - Tag 7

Dieser Tag endet mit vielen neuen Erkenntnissen und einem kapitalen Rausch - aus rein therapeutischen Zwecken.

Los ging es mit Wassergymnastik (abgekürzt WSOP; ich habe recht lange gebraucht, bis mir meine verbliebenen Gehirnzellen "Wirbelsäulen-OP" übersetzt hatten). Es gab Paddel für die Hände, 32° warmes Wasser und exakt 25 Minuten schweißtreibendes Gefuchtel mit sämtlichen unversehrten Körperteilen. Ich musste feststellen, dass mir gefühlte 50% meiner Muskelmasse abhanden gekommen sind; anders lässt es sich nicht erklären, warum ich nach diesen 25 Minuten so erschöpft war, dass mir die Kaffeetasse beim zweiten Frühstück wie eine 3-kg-Hantel erschien.

Danach Vormittagsschläfchen im Stufenbett und weiterhin mehr oder weniger stilles Leiden an meiner immer noch nicht auskurierten (wie auch - außer mir kümmert sich ja niemand um mich!) Infektion.

Dann "Einzelgymnastik" bei einem zwar unschuldig aussehenden, aber garantiert der S/M-Szene anhängenden Physiotherapeuten. Ich erklärte ihm, dass ich so ein Ziehen in der Wade hätte, er griff beherzt an die von mir gezeigte Stelle und drückte. Ich schrie. Er drückte fester. Ich erklärte mit zusammengebissenen Zähnen: "Ich bin ja kein Weichei, aber das tut wirklich weh!" "Das sagen alle." antwortete er gleichmütig und drückte weiter. "Außerdem ist Ihr Piriformis echt unter Spannung!" - und weiter ging die muntere Quälerei.
Nach fünf Minuten hätte ich alles gestanden, auch den Anschlag auf die Northeimer U-Bahn.

Nach diesen 20 Minuten trieb es mich zurück aufs Stufenbett. Beine hoch, leiden, schlafen. Seltsamerweise fühlten sich Wade und Piriformis deutlich besser als ich.

Das Mittagessen lasse ich unerwähnt. Man ist hier offensichtlich der Ansicht, dass "Vegetarisch" gleichbedeutend mit "Fettiges Junkfood ohne Fleisch" ist.

Nachmittags Feldenkrais. Das konnte ich nicht recht genießen, weil mich das bereits erwähnte Leiden piesackte. Während ich eigentlich meine Schultern ein wenig hin- und herdrehen sollte, biss ich einmal mehr die Zähne zusammen und verfluchte Pflegepersonal, Frau Doktor und das nichtsnutzige Labor, das meine Probe verdusselt hatte.

Entsprechend geladen suchte ich mein Zimmer auf, schrieb eine geharnischte Mail an die Klinikleitung (sowohl an die Verwaltung als auch an den medizinischen Teil), marschierte zum Schwesternzimmer und wartete einige Minuten lang darauf, dass sich zwei der scheuen Rehe von ihrer Illustrierten lösen und um meine Probleme kümmern würden.
Die Probe sei immer noch nicht analysiert, beschied man mir, und wenn ich Frau Doktor sprechen wolle, sollte ich irgendwann spätnachmittags wiederkommen.
"Gut. Dann gehe ich jetzt zu einem Allgemeinmediziner im Ort und stelle Ihnen Praxisgebühr und Schmerzensgeld in Rechnung!"
Und - wupps - telefonierte man mit dem Labor, die Werte wurden flink telefonisch durchgesagt, der Patient, der gerade Frau Doktors ärztliche Künste in Anspruch nahm, herausgeworfen und zum Abdecker geschickt, ich erhielt ein Antibiotikum und die Information, dass meine Blutwerte "wirklich nicht besonders gut" wären. Aha. Ohne vorlaut erscheinen zu wollen: Das wusste ich vorher.

Das Abendessen habe ich ausfallen lassen, nachdem Frau Doktor mir eröffnete, dass ich erst am nächsten Morgen mit dem Antibiotikum anfangen dürfte, um die neue Probe, die ich frühmorgens abzugeben hätte, nicht zu verfälschen, und meine eigene Therapie eingeleitet.
Nach dem vierten Bier ging es mir schon wesentlich besser, nach dem sechsten musste ich nicht mehr aufs Örtchen, und als ich gegen 22.25 Uhr sturzbetrunken in mein Zimmer gewankt bin, fühlte ich mich großartig.

Gerade habe ich festgestellt, dass ich später wohl doch noch Hunger bekommen haben muss; die Pistazien sind alle, das Studentenfutter angebrochen, und im Papierkorb liegt eine M&M's-Verpackung - keine Ahnung, wie die in mein Zimmer gekommen sind!

Hicks.

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