15 Juli 2011

Whausen reloaded

Ja, die Geschichten aus Whausen sind schön! Hier gibt es bedröhnte Hummeln, kollektives Dauerrasenmähen am Donnerstagnachmittag, Aufregung in der Nachbarschaft, weil endlich der Sperrmüll abgeholt wurde; es gibt Nachbarinnen, die gemütlichst auf der Treppe vor ihrem Haus sitzen und den stattlichen Nachbarskater, der den Garten meiner Vermieter markiert.

Ich lerne seit zwei Wochen Einzelheiten kennen, schaue den Johannisbeeren in der Bäckergasse beim Reifen zu, klaue Kirschen vom Baum auf der Ecke (der niemandem gehört, wie ich hoffe), suche im Dorfbach, der zur Schneeschmelze ein fast reissender Strom und in heissen Sommern ein trauriges Rinnsal wird, nach Fischen und begrüße die neuen Kälber am Bauernhof vorn rechts.

Wäre ich eine Hexe, ich würde diesen Ort zum Kraft- und Versammlungsort erklären und zu jeder Sonnenwende zaubern lassen.
Zur Zeit bin ich meilenweit von möglichen Hexenkünsten oder nur einer "vollwertigen" Mitbewohnerin entfernt; ich kann weder etwas für die Damengymnastikabteilung der SG Whausen oder die Sportwoche tun noch verfüge ich über Zauberkräfte.

Trotzdem. Das Dorf verzaubert mich:
Ich gehe im "Versehrtenschonschritt" durch die Gassen, erklimme ohne vorherige Akklimatisierung den 178 m hohen Höheberg, setze mich auf jede Bank, die am Weg steht, um mich vom GEHEN zu erholen. (Sie erinnern sich? Ich habe noch vor kurzem bekennende NichtsportlerInnen mit der schriftlichen Erwähnung meiner DauerLAUFgedanken belästigt.)

Mit jedem Tag, den ich hier bin, kehren meine Kräfte zu mir zurück.


Natürlich gibt es auch traurige, mut- und kraftlose Tage. An den besseren freue ich mich, wenn die blöden Gänse in der Ortsmitte zischen, wenn ich vorbeigehe, die Schafe nicht geschlachtet, sondern nur auf eine andere Weide gebracht wurden, und das kleine mit dem verletzten Hinterlauf wieder Anschluss gefunden hat. Ich grüße das Paar, das seine Chow-Chows spazieren führt, erkläre dem Pudel, an dessen Grundstück ich täglich mehrmals vorbeikomme, dass ich nichts klaue und freue mich, wenn ich nach 40-minütigem Spaziergang völlig erschöpft ZUHAUSE ankomme.

Denn genau das ist Whausen, gleichgültig, ob die Tage gut, besser oder schlechter sind: Zuhause. Und nach jedem neuen Mord, nach jedem Ausflug in die große, weite Welt und jeder Ent-Täuschung kehre ich erleichtert zurück, höre neben den Rasenmähern auch die Hühner, die jedes frisch gelegte Ei lauthals feiern, den Krähwettbewerb der Hähne, die Schreie des Bussards, das abendliche Vogelzwitschern und die Ruhe danach.

2 Kommentare:

  1. Anonym3:53 PM

    Sehr schön!

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  2. Merci beaucoup! Ich versuche nach Möglichkeit, meinen geschätzten LeserInnen und deren Wünschen entgegen zu kommen. ;-)

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