09 August 2011

Nachrichten aus der Anstalt - Tag 20

Dieser Tag wurde gekrönt von der Abschlussuntersuchung. Man hält mich weiterhin für arbeitsunfähig; kein Wunder, die wissen ja nicht, dass ich mich selbst therapiert habe! Aber ich hätte zumindest erwartet, dass sie ihre eigenen Bemühungen höher einschätzen als vier bis fünf Wochen Krankschreibung nach dreiwöchiger Rehabilitation.

Da ich ja schon in der vorigen Woche am Dienstag eine drei Minuten dauernde Konsultation in Anspruch genommen und am Donnerstag eine knapp zehnminütige Visite genossen habe, wurde die Abschlussuntersuchung einigermaßen kurz gehalten. Frau Doktor drehte mich nach rechts und nach links, ließ mich nach vorn beugen und kommentierte meinen Hinweis "Ab jetzt fühle ich mich unwohl!" mit "Sehen Sie, deswegen sollten Sie auch noch zuhause bleiben!" Meine Fingerspitzen waren zu diesem Zeitpunkt ca. 3 Zentimeter von der Auslegeware entfernt, und das ist, mit Verlaub gesagt, mehr, als Michael Ballack mit seiner dauerhaften Muskelverhärtung im Oberschenkel jemals geschafft hätte!

Abends wollte ich meine überschüssigen Energien auf dem Fahrradergometer austoben und hatte verdrängt, dass Montags kein freies Ergometertraining möglich ist und niemand weiß, warum. Immerhin findet dieses "freie Training" nicht unter der fragwürdigen Aufsicht eines Angestellten statt. Man darf unbeobachtet die gleiche Fehlhaltung einnehmen, die während des "offiziellen" Trainings ebenfalls unkommentiert bleibt. Auch habe ich noch nie gesehen, dass jemand diesen Raum grundgereinigt hätte, und kurz durchfeudeln kann man schließlich auch während des morgendlichen Putzganges. Aber eine Rehaklinik hat ihre eigenen Regeln, und es wäre vermessen, wollte eine halbwissende Zivilperson wie ich diese nachvollziehen.
Statt meine überschüssigen Kalorien also radelnderweise abzuarbeiten, wurde ich freundlich von zwei Mitpatienten, die ebenfalls in ihrem Tatendrang ausgebremst worden waren, zum gemeinsamen Wassertreten eingeladen. Meine Codekarte passt nämlich nicht für diese Tür, obwohl mir eine der vielen Physiotherapeutinnen, die mich mit unterschiedlichstem Wissen versorgten, ganz am Anfang, als ich noch dachte, ich sei hier, damit mir geholfen werde, erklärt hatte, dass Wassertreten sehr gut für meine verhärtete linke Wade sei, was aber keinerlei Konsequenzen nach sich gezogen hatte.

Egal, es war der vorletzte Tag, der heimatliche Herd warf bereits seine vollwertigen Schatten in meine Richtung, und so scherte es mich nicht, dass gemischtes Wassertreten eigentlich verboten ist. Stattdessen genoss ich den Anblick zweier Herren mittleren Alters in fleischfarbenem Feinripp bzw. bis zur Hüfte aufgekrempelter Fallschirmseidener.

Danach wurde Abschied gefeiert, über das Angebot des Speisesaals diskutiert (Menschen männlichen Geschlechts lobten während dieser Diskussion gleichzeitig die Currywurst der örtlichen Imbissbude, den Schnitzelteller im Kurparkcafé und die Mahlzeiten in der Anstalt, was mich in all meinen bisher aufgestellten Theorien bestätigt.), eine Menge Bier getrunken und beim Rückweg durch den Kurpark Gehen während eines von vorn heranstürmenden Tornados geübt.

Ich muss noch versucht haben, irgendeinen Film zu sehen. Als ich mitten in der Nacht kurz aufgewacht bin, lief der Fernseher; aber die Zelle, die sich die Handlung hätte merken müssen, scheint mir auf dem Weg vom Kurparkcafé aufs Zimmer abhanden gekommen zu sein.

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