01 Juli 2016

North-Sea-Beach-Marathon

42195 Meter. Fünfdreiviertel Stunden. Auf Sand. Nur ich, der Schweinehund und die Kampfsau.

Für die Leistungssportler unter Ihnen, die sich jetzt fragen, warum ich so lange gebraucht habe und ob niemand Wegweiser aufgestellt hat: Ich war mit Überleben beschäftigt! Das kostet Zeit.
Außerdem wäre ich völlig bescheuert, wenn ich schneller liefe; das würde ja die schönen Gespräche zwischen uns dreien verkürzen.

Kilometer 15, Schweinehund: "Findste nicht, dass es jetzt mal gut ist? Mir tun die Füße weh, wir haben Gegenwind, und mein rechtes Ohr ist nass. Außerdem kommen uns da schon die ersten Läufer entgegen. Willst Du Letzte werden?"
Ich, keuchend: "Wir laufen mal bis zum 21-km-Wendepunkt weiter. Dann können wir dem Liebsten eine Nachricht schicken, dass er uns abholt. Okay?"
Kampfsau: Schmollt. Spricht nicht.

Kilometer 21, Kampfsau: "Oh, da ist ja der Liebste! Du willst dem doch wohl nicht wirklich erzählen, dass Du jetzt aufhörst??? Wie sieht das denn aus? Seit Wochen muss er sich den ganzen Trainingsscheiß anhören, wird von Dir angezickt und vollgejammert, und nach einem albernen Halbmarathon soll Schluss sein? Außerdem musst Du den ganzen Kram nochmal laufen, wenn Du das heute nicht schaffst. Wollen wir das?"
Ich, keuchend: "Will ja schon gar nicht mehr aufhören." Und zum filmenden Liebsten: "Ich habe schon die Hälfte! Es sind nur 100 Läufer vor, und mindestens drei hinter mir!"
Schweinehund: Hechelt. Schmollt. Spricht nicht.

Kilometer 22 bis 38, wir drei: Keuch. Jammer. Schimpf. Schnauf.
Meine Füße: "AUA!!!"
Meine Beine: "AUAAUAAUA!!!!"

Kilometer 39, das Ziel ist in Sicht, kommt aber irgendwie nicht näher.
Kilometer 40, Schweinehund: "Komm, lass mal ein Stück gehen. Das ist anstrengend, wir werden nicht unter den Ersten sein, hinter uns ist auch keine Gefahr. Meine Füße tun weh!!!"
Kampfsau: "Nix da. Gelaufen wird. Wie sieht das denn aus, wenn wir hier herumschlurfen wie ein paar Tattergreise auf Kur?"
Ich: "Schnauze! Alle beide!"

Kilometer 41, das Ziel ist in Sicht, kommt aber irgendwie nicht näher.
Schweinehund: "Och menno, das wird ja immer blöder hier! Ich habe nasse Füße, meine Beine tun weh, und ich will nicht mehr in diesem doofen Scheißsand herumstapfen!"
Kampfsau: "Weichei, elendes! Den Kilometer werden wir ja wohl auch noch schaffen."
Ich: Bin damit beschäftigt, meinen Füßen zu befehlen, sich mehr als 3 cm vom Boden zu heben. 

Kilometer 42, nur noch 195 Meter. Der Sand wird tief und tiefer, der Sprecher erzählt etwas von "Gut gelaufen!" und scheint uns zu meinen, der Schweinehund hat meine Füße noch schwerer gemacht, die Kampfsau lächelt, ich bin auf direktem Weg nach Walhalla, um dort bei Odin zu speisen und nie wieder zu laufen, der Liebste filmt, ich lächle, zeige der Strecke hinter mir den Stinkefinger und schleppe mich über die Ziellinie.

Eine Frau drückt mir ein Geschenk mit Körperlotion, Handcreme und Nagellack in die Hand. Wieso zwingen die mich, so etwas Schweres zu tragen, jetzt, wo ich tot bin???

Der Liebste hatte gedacht, ich wäre schneller und musste eine Stunde auf mich warten. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Hätte mich ja auch ein bisschen beeilen können. "Der Schweinehund, das lahme Biest, ist schuld!" schimpft die Kampfsau. "Blödes Mistvieh! Ich habe hier alles gegeben! Nur wegen mir steht das Frauchen noch auf beiden Beinen und liegt nicht tot im dänischen Sand." wehrt sich der entrüstet.
"Schnauze, alle beide!"  

Ich schleppe mich, begleitet vom viel zu schnell gehenden Liebsten (Okay, wenn er langsamer gegangen wäre, hätte er gestanden...) zum Auto. Meine Beine werden abfallen, nachdem meine Füße verfault sind. Aber ich habe meinen Angstgegner bezwungen. Der nächste Marathon kann kommen - vielleicht einfach mal flach und auf der Straße???

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